Prolog. Anstehendes Fest
Mit einem dumpfen
Knall kam der Karton, den ich zuvor trug, auf dem Boden auf. Ich klopfte mir
stolz den Staub von den Händen.
» Das war dann die letzte Kiste für
heute. « Ich stieg die Treppe hoch und schloss anschließend die Tür zum Keller
wieder ab. Mein Haus war im kompletten Wandel. So eine Renovierung sollte zwar
ein umwerfendes Ergebnis liefern, bedeutete aber auch viel Arbeit. Wenn ich an
all das dachte, was noch zu tun wäre und wie viele Kartons noch vollgestopft
waren mit unsortierten Sachen, dann hätte ich doch beinahe auf den Boden reiern
können. Ich zog meine schwarze Weste zurecht, atmete tief durch und wollte mich
direkt zur Küche begeben um mir eine wundervolle Tasse Rotbusch Vanille Tee zu
machen, als plötzlich ein Klingeln des Telefons mich aus meiner frisch ergatterten
Ruhe riss. Ich ging in den Flur, hob den Hörer ab und seufzte.
» Jasra..? «
» JAAACK! Jack! Es ist wichtig! « Es
war Cosmo. Cosmo rief mich des Öfteren wegen äußerst belanglosen Dingen an. Zum
Beispiel, weil er mir einen schlechten Juristenwitz erzählen wollte. Und mit
schlecht mein ich wirklich so schlecht, dass man eigentlich direkt auflegte.
Oder weil er mir etwas über seine Lieblingsfigur Gex berichten musste oder weil
er meine Meinung zu artgerechter Ernährung von Sofalehnen hören wollte.
» Was gibt’s, Cosmo? Hast du wieder
einen auf der Straße gesehen, der wie Simon Mätschmer aussieht? «
» Nee. Heute nicht. Aber weißt du was
morgen ist? «, fragte er ganz aufgeregt.
» Weihnachten? « Natürlich war morgen
Halloween und so recht wusste ich noch nicht, was er mit dieser
offensichtlichen Frage bezwecken wollte.
» Jaaack. Hör zu. Ich dachte mir, wir
könnten uns doch alle zu Halloween im Jasra Café treffen. Wie in guten, alten
Zeiten. Und dann eben ein bisschen feiern, rumblödeln und was feines Essen. Mit
Chriiiis, Nylooo, Maddiiin, Steffen und wie die ganzen anderen Schnackel noch
so heißen. «
» Welcher Steffen? Der, der wirklich
Steffen heißt, oder der, der eigentlich Stefan heißt und wir ihn nur weiß Gott
wieso Steffen nennen? «
» Das ist echt ein Steffen zu viel.
Können die sich nicht irgendwie prügeln und der Verlierer muss dann Horst
heißen? «
» Horst Fuchs? Dann wird unser Steffen
aber wieder richtig zur Bestie. «
Cosmo lachte.
» An sich ja beide gerne, aber ist die
Frage, ob Steffen, also der alte Steffen, überhaupt möchte. « Cosmo hatte
recht. Seitdem Steffen wieder nach Andora City gezogen war, ging der Kontakt
leider etwas flöten. Aber nichtsdestotrotz war Cosmos Idee tatsächlich
umwerfend gut. Es war tatsächlich sehr lange her, dass wir alle gemeinsam etwas
unternommen hatten. Und welcher Zeitpunkt wäre besser für so etwas als das
überaus atmosphärische Fest Halloween. Jedoch…
» Nur gibt es da ein Problem, Cosmo.
Das komplette Jasra Café ist gerade im Umbau. Nicht einmal die Toiletten sind
in den Verankerungen. Sogar des Pissoirs, die so groß wie Badewannen sind,
stehen einfach so vor dem Café, mitten im Sand! «, sagte ich kichernd.
» Ist das denn nicht gefährlich, die
einfach draußen zu lassen? «, meinte Cosmo besorgt.
» Als ob irgendjemand ein zwei Meter
großes Pissoir klauen würde. Hier! Auf Silvercoast Island! «
» Touché. « Cosmo seufzte. » Und was
ist mit deinem Haus? Das ist doch auch relativ groß. «
» … Ich renoviere selbst bei mir. Grad‘
dass ich noch Platz zum Schlafen habe. Aber! Was hältst du davon, wenn wir das
einfach bei dir machen? Ich zahl‘ jedem das Flugticket nach Freeja und dann
geht morgen die Scheiße ab! « Ich schlug euphorisch auf den kleinen Tisch, wo
das Telefon drauf war.
» Bei.. mir? Warum nicht! Dann muss ich
ja aufräumen.. und die Gex-Deko anbringen! « Cosmo klang wesentlich fröhlicher
als zuvor.
» Bereite alles vor, was du vorbereiten
musst und gib am besten noch Tessi, Steffen, Finn und Max Bescheid. Den Rest
ruf ich dann an. Morgen. 20 Uhr. Bei dir! Und vielleicht hast du ja noch Bock
uns vom Flughafen so um 19 Uhr abzuholen. «
» Jau, mach ich! Bis dann! «
» Bis dann! « Ich legte auf und holte
tief Luft. » Gut! Auf zu Chris. «, schnaufte ich zu mir selbst und nahm meinen
Hut von der Garderobe. Ich freute mich tatsächlich so sehr über diesen neuen
Plan, dass ich direkt das Verlangen nach meinem süß-warmen Tee direkt verlor.
Als ich die Tür
öffnete, kam mir ein unruhiger Wind entgegen. Passend zur Jahreszeit war das
Wetter richtig beschissen. Und obwohl unsere beiden Häuser im Umbau waren,
sorgten mehrere selbstgeschnitzte Kürbislaternen mit diversen gruseligen oder
verrückten Gesichtern für eine anständige Halloween Atmosphäre. Ich grinste
schon bei dem Gedanken, wie ich Chris davon erzählen würde und er vor Freude
ausrastet. Ich schloss die Tür hinter mir, rieb mir etwas die Hände und stapfte
anschließend schnell meine kleine Holztreppe nach unten. Ich machte mich durch
den Sand über die kleine, dezent beleuchtete Holzbrücke, die mit ihren kleinen
Laternen ein sanftes, warmes Licht an die Palmen und den kleinen Bach unter der
Brücke abgab.
Ich fand mich nun
vor dem Jasra Café wieder. Dem großen, wunderbaren Sammelpunkt der Jasra
Familie, der Einwohner von Silvercoast Island und einigen Gästen, die mit der
Fähre von Halunzia hierherkamen. Tatsächlich musste ich jetzt ziemlich wehement
mit dem Kopf schütteln, da das Jasra Café im jetzigen Zustand tatsächlich sehr
schäbig aussah. Das Leuchtschild, mehrere Stühle, Tische, ein Getränkeautomat,
und wie schon bei Cosmo erwähnt, mehrere riesige Urinale befanden sich vor dem
Café. Beinahe schon so wie bei einer Sperrmüllsammlung. Ich wollte die Tür
aufsperren – aber sie war nicht verschlossen. Irgendwas stimmte nicht… Ich ging
langsam durch den Hauptraum des Cafés. Der ganze Charme, die warme Beleuchtung
und die lauschige Atmosphäre fehlten jetzt tatsächlich. Passend zur Halloween
Zeit wirkte alles eher verlassen, düster und angsteinflößend. Es war fast
komplett dunkel. Nur ein Licht aus Chris Wohnzimmer schien in das Café hinein.
Ein Schrei! Mein Herz blieb fast stehen als ich das laute Brüllen hörte. Als
ich erschrocken zurückwich merkte ich, dass ein Brüllen dem anderen folgte…
Mein Gesichtsausdruck wandelte sich schnell von erschrocken zu enttäuschend
genervt, als mir auffiel, dass der vorerst so schmerzhaft klingende Schrei doch
nur ein sehr lautes Lachen war – und zwar das von Chris. Ich ging in sein
Wohnzimmer, das sich hinter der Theke befand und knallte die Tür auf.
»Jaaack!! Gib dir den!!« Chris, der
an seinem Schreibtisch saß und sich zu mir umdrehte, hatte vor Lachen Tränen in
den Augen. »Geht ne Frau zum Arzt! Sagt ‚Ich hab letztens einen zehn Rupee
Schein gegessen, nun scheiß ich nur noch Kleingeld.‘ ‚Ja kein Wunder, Sie sind
ja in den Wechseljahren!‘« Und wieder fing Chris heftig an zu lachen – nur
diesmal lachte ich mit.
»Oh Gott, der war nicht übel!« Dann
plötzlich hörte ich auf zu lachen und sah ihn böse an. »Du Arsch hattest mich
fast zu Tode erschreckt! Was meinst du was ich mir denk, wenn die Tür nicht
zugesperrt ist und in diesem gottverdammten, finsteren Laden alles verlassen
aussieht und ich dich dann dumm schreien höre!«
»‘Tschuldigung. Du Schwulette.« Chris
fing wieder an zu lachen, weil ihm wahrscheinlich der Witz wieder einfiel. »Aber
was gibt’s denn?«, fragte er mich, nachdem er sich wieder gefangen hatte.
» Nun ja, es ist folgendermaßen. Ich
hab einen Anruf von Cosmo bekommen. «
» Er ist schwanger, oder? Der dumme
Pimmel. Wir müssten ihn direkt alle gleichzeitig totschlagen! « Chris fiel mir
ins Wort und musste anschließend aufgrund seines eigenen Spruches laut
loslachen. Ich konnte mein Lachen jedoch auch nicht unterdrücken.
» Nein, tatsächlich ist er nicht
schwanger. Aber Cosmo hatte den Vorschlag gemacht – «
» Wuuuuurst. « Chris ging ganz nah an
mich ran und sprach in einer tiefen aber lauten Stimme. Ich packte Chris an den
Schultern.
» Chris ich scheller dir gleich eine! «
Ich räusperte mich. » Cosmo hat den Vorschlag gemacht, morgen zu Halloween eine
kleine Feier zu machen! Weißt du, wo sich mal die ganze Familie mal wieder
trifft und man zusammen ein bisschen was unternimmt und vor allem geile Dinge
isst und über jeden der Familie etwas ablästert. Das wär doch ne feine Sache,
oder nicht? « Plötzlich löste sich das Grinsen aus Chris Gesicht und er sah
mich ganz ernsthaft an. Nicht nur das – ein flammendes Funkeln war plötzlich in
seinen Augen.
» Verdammt. Das haben wir echt schon
lang nicht mehr gemacht. Und grad Halloween ist ja perfekt, oder nicht? Und wo
wollen wir das machen? «
» Ich hab gesagt bei Cosmo. Sein Haus
ist ja auch recht geräumig. Und dann kann er sich mal um die ganze scheiß
Vorbereitung kümmern. «
» Der dumme Pimmel. « Chris lachte
wieder, hörte aber gleich wieder auf. » Aber ja. Du hast recht. Das ist ein
genialer Plan, gerade wo hier bei uns ja richtig Zasematuse ist, nicht? Alter.
Weißt du, ich könnte hier direkt auf den Boden kacken vor Freude! « Chris ging
in die Knie für einen symbolischen Kotvorgang und stöhnte ganz kräftig. » Geil,
Jack. Also morgen bei Cosmo? Und welche dummen Huren kommen noch dazu? «
» Mal überlegen. Wir haben da Tessi und
Finn. Maddin, Phil und Steffen. Und Steffen. Nylo, Conni und.. und Max. Cosmo
gibt Max, Tessi, Finn und dem alten Steffen Bescheid. Wir müssen dann noch die
anderen anrufen. Ich zahl allen den Flug beziehungsweise die Fahrt morgen. «
» Geil. Das sind ja richtig viele. Da
könnt ich vor Freunde glatt auf den Bo – «
» Boden kacken? Chris du willst echt
oft einfach so auf den Boden kacken, oder? « Jetzt fiel ich ihm ins Wort. Chris
musste wieder laut lachen, weil er realisiert hat, wie tief das Niveau gerade
wieder gesunken ist. Er räusperte sich.
» Also, wenn ich mich nicht ganz irre,
dann müssen wir noch… dem neuen Steffen, Phil, Maddin, Nylo und Conni bescheid
geben, oder? «
» Absolut richtig. Das kann ich nur mit
einem großen Ja unterstreichen. « Chris nickte und nahm den Hörer ab und wählte
die erste Nummer. Nach einer Weile war das erste, was ich aus dem Telefon hören
konnte ein extrem lauter und langer Rülpser.
» Constingong? Der mit dem Gong? … Sag
mal, du hast doch sicher Bock mit uns allen zu feiern du Stück Fixwicke. … Ja
klar, morgen. Jack, die olle Nutte, zahlt dir den Flug. Nach New Andora in
Freeja. Morgen um 20 Uhr ist da Treff. … Ja … Geil, oder? … Du hast auch schon
nen Steifen? Ja klar, meine Hose ist auch schon unten. « Seine Hose war
natürlich nicht unten, jedoch verlieh der Spruch dem Gespräch mehr Intensität.
» Okay. Dann bis morgen, Constingongong. « Ich konnte nur noch ein lautes AMK
und einen Rülpser vernehmen, bevor Chris auflag und mir anschließend den Hörer
in die Hand reichte.
Zum Glück wusste ich die Nummer von Maddin noch auswendig. Ich wählte und
wartete kurz.
» Jasra? «
» Bffz Dffz Bffz Dffz. «
» Uffzka Bffzka Dffzka Bffzka. « Als
ich ihn mit gutem, altem Gebeatboxe begrüßte, antwortete er mir sofort auf
gleiche Weise. » Mister Jaaack! Was ist jenes Begehr, welche jener Jack
besitzt. «
» Es handelt sich um folgenden
Sachverhalt. Am morgigen Tage steht eine üppige Feier im Hause Cosmo bevor,
welche um 20 Uhr jenes Abendes vollzieht. Ihre Anwesenheit ist nicht nur
erwünscht, sondern erfordert. Finanzielles wird von meiner Wenigkeit geregelt.
Deswegen ist es unabdingbar, dass Sie ebenfalls den Herren Stoffel und Phil
bescheid geben! «
» Ohhh wir feiern? Geile Scheiße! Wo
hat Cosmo nochmal gewohnt? «
» New Andora in Freeja. Spätestens um
20 Uhr da sein wäre ziemlich geil. Ist das machbar? «
» Oh ja. Aber sicher doch. Ich geb den
anderen dann Bescheid, näh? « Martin klang auch super erfreut.
» Perfekt. Dann bis morgen. «
» Bis morgeeen. « Ich legte auf.
» Dann wär das schon mal geschafft.
Rufst du noch Ül an? « Chris nickte.
Chris nahm mir den Hörer aus der Hand und wählte die nächste Nummer.
»Üüüühl. Du tust aus dem Affta stinken
tust du! « Bei dem Wort Affta schlug Chris heftig auf den Tisch um dem Wort
Dramatik zu geben. » … Ja! Genau. … Danke.« Chris grinste dumm. »Wieder am
Schwitzen? Nylo, Waschi Waschi Waschi! … Ja genau. … Na wohl Zeit für den
Brennofen! … Was? Achja. Wir wollen bei Cosmo ne Halloweenfeier machen. Jack
zahlt das alles, der alte Hurenbock. … Ja genau. … Da is noch ewig Zeit bis
dahin, noch n kleines bisschen weniger als… einen Tag. … Ja genau, morgen. Ja,
du bist gefälligst dabei! New Andora Flughafen in Heela. Ne Freeja. Genau. …
Achja, um 20 Uhr ist Treffpunkt. Geil … Ja, ich rubbel mir grad schon einen. «
Chris lachte. » Also bis dann! «
Chris legte wieder auf und klatschte dann voller Enthusiasmus einmal in die
Hände. » Geil. Einfach nur geil. Wir machen uns dann morgen auf den Weg, was? «
» Jap. Nachmittag machen wir uns dann
auf den Weg zum Flughafen. «
» Geeeil. Jack, weißt du was. Ich könnt
hier vor Freunde einfach in meinen Rucksack wichsen und ihn dann so mitnehmen.
« Wir beide brachen wieder in Lachen aus.
» Chris, das wär echt hart ekelhaft. «
Ich holte tief Luft und sah dann Chris an. » Aber ich bin echt froh, dass wir
spontan so etwas mal machen. Das kann ja nur gut gehen. Mal wieder alle
zusammen was Geiles unternehmen. «
Nun war es beschlossen! Die Reise war geplant und nun musste der nächste Tag
nur noch auf uns zukommen.
I. Straße zu Cosmo
Für einen
Dienstagabend war am Flughafen von New Andora tatsächlich recht viel los. Das
lag wahrscheinlich aber daran, dass es Halloween war und die Leute am folgenden
Tag frei hatten. Die riesige Menschenmenge, bei der dir in jeder Sekunde jemand
anrempeln möchte, war schon etwas erdrückend und unangenehm.
» Ich hasse Menschen. «
» Troggenbrooot. « Chris war schon so
von dem Flug benommen, dass er nur noch Dünnpfiff von sich gab. » Jack ich hab
jetzt ne wichtige Frage. Hör mir zu. Kann ich einmal deine Aufmerksamkeit
haben?! «
» Was gibt’s denn? «
» Wie belegt man jetzt nen Burger
korrekt? Salat, Fleisch, Käse, Tomate oder Tomate, Käse, Fleisch, Salat?! Also
natürlich erst Brötchen, dann Salat… «
» Ne, erst die Bulette, dann eine
Brötchenhälfte, dann der Salat und dann der Käse. « Chris brüllte wieder los
und ich musste dann mitlachen. » Ne ich denke tatsächlich, dass von unten nach
oben erst die Sauce kommt, dann direkt das Fleisch, darauf der Käse, damit er
von dem heißen Fleisch auch schmilzt aber gleichzeitig als Puffer dient, damit
die Tomate und der Salat noch frisch und knackig sind. « Chris sah mich
begeistert an.
» Jack das sind richtig weise Worte.
Wieso schreiben wir uns das nicht auf, damit wir das auch mit der Nachwelt
teilen können?! Der Käse… ist der Puffer. Mensch, Jack, das ist genial. Ich
könnte direkt auf den Boden wichsen. « Eine alte Oma, die gerade in dem Moment
vorbeilief, sah Chris extrem angewidert an. Chris bemerkte sie aber zum Glück
nicht. » Der Käse. Ist der Puffer, Jack. Der Käse ist der Puffer. «
Wir liefen durch den Flughafen von New Andora bis wir am Eingang ankamen. Die
Eingangshalle war sehr großräumig, aber dennoch klassisch gehalten. Die zwei
großen Doppeltüren im Eingang wurden durch schlichte, aber schöne Steinsäulen
umrandet.
» Wo zum Teufel ist Cosmo? «
» Achja, der wollte ja auf uns warten,
oder? « Cosmo war weit und breit nirgendwo zu sehen und es war schon fast 20
Uhr. » Weiß nicht, wollen wir einfach mal zu Cosmo loslaufen? So weit ist es ja
nicht zu ihm hin. Außerdem sind wir eh schon ziemlich zu spät, da ist er wohl
zurückgelaufen. «, meinte Chris zu mir. Das war tatsächlich gar keine so
schlechte Idee.
» Warum nicht. Sollte er auf dem Weg zu
uns sein, wird er uns ja immerhin entgegenkommen, oder nicht? «
» Jap jup jap jawohl. «, rief Chris
ganz laut.
So machten wir uns
auf den Weg zu Cosmo und gingen durch eine der großen Doppeltüren des
Flughafens. Draußen war schon eine ganz andere Temperatur als wir sie bis jetzt
im Flug gewohnt waren. Der Flug war auch sehr angenehm, abgesehen davon, dass
Chris ständig meinen Namen gesagt hat, nur um darauf in einer tiefen, lauten
Stimme „Wurst“ zu sagen. In Freeja war es nur leicht windig. Windig genug um
einige Herbstblätter sanft die Straße entlang zu wehen. Die Straßen waren auch
ziemlich ruhig. Die Dinge, die am meisten auffielen, waren die Kürbislaternen,
die alles wunderschön beleuchteten. Als wir so entlangliefen, wechselten wir
kaum Worte, abgesehen von einem gelegentlichen „Guck dir an, wie schön das hier
aussieht.“ Oder „Guck dir die geile Dekoration an“. Tatsächlich fand ich die
Ortschaft hier wirklich wunderschön, weil die Leute sich sehr viel Mühe gegeben
haben alles festlich zu gestalten. So wie ich’s eben zuhause auf Silvercoast
Island gewohnt bin.
Nach einer Weile fanden wir uns in Cosmos Nachbarschaft wieder, die ich direkt
von Weitem erkannte. Ich war ja oft genug hier. Oft sind wir ja mit ein paar
anderen aus der Familie spazieren gegangen. Oder haben einfach bei Cosmo ein
paar Gesellschaftsspiele gespielt und uns anschließend mit Sofalehnen beworfen,
weil wir alle schlechte Verlierer sind. Oder haben alte, vermisste Freunde von
Cosmo kennen gelernt. Wie zum Beispiel diesen Baigh, den Cosmo immer so
verträumt angesehen hatte. Ich lächelte, weil ich viele gute Erinnerungen mit
dem Ort hier in Verbindung brachte. Und als wir so Cosmos Haus näherkamen, sah
ich schon mehrere Gestalten vor seinem Haus herum tummeln, die sich, von hier
aus unverständlich, miteinander unterhielten. Bevor ich aber irgendjemanden
erkennen konnte, hörte ich einen lauten Elchs Brunftschrei, der mit hoher
Wahrscheinlichkeit aber nur ein Rülpser von Conni war.
» Chriiis! Jaaack! «, rief Tessi laut
durch die Straße, die uns als Erste erkannte.
» Jizzter Mack! Christler Mizz. Was geht
ab, ihr ollen Splasher. « Finn war richtig erfreut uns zu sehen.
» Haha Jack, Chris, jetzt erstmal
Essig, häh? « Conni rülpste uns direkt an.
» Constingong, alte Socke! « Jeder warf
wild durcheinander dem anderen Begrüßungen an den Kopf und viele habe ich
akustisch gar nicht verstanden. Ich umarmte aber jeden mal und nahm
anschließend lächelnd die Hände an die Hüfte.
» Schön euch alle zu sehen, Bois… und
Görls. Aber… Nylo ist noch nicht da? «
» Ne, der war wohl noch nicht da. «,
informierte mich Steffen.
» Und Steffen ist wohl auch nicht da.
Also der alte Steffen. Schade. «, meinte Chris.
» Und Cosmo ist bestimmt tot. «, sagte
Max in einem leicht scherzhaften Ton. Bei Max wusste man aber nie, ob er das
nun ernst meinte oder nicht.
» Weil er wohl nicht da ist. Wohnt
Cosmo überhaupt hier? «, fügte Phil hinzu um etwas Klarheit zu schaffen und
hustete anschließend.
» Was, Cosmo ist nicht da? Das kann ja
gar nicht sein. Aber naja. Wie gut, dass niemand weiß, dass ich… ein Schlüssel
für Cosmos Haus hab. Scheiße, das hat sich jetzt gar nicht gereimt. « Chris
wühlte etwas in seinem Rucksack, bis er ein erfreutes „Aha!“ ausstieß. Er ging
dann zur Haustür und schloss auf. Wir gingen alle nacheinander rein und sahen
uns um.
» Hier ist er nicht. «, rief Steffen
aus der Küche.
Als ich mich so umsah, musste ich feststellen, dass Cosmo alles wirklich schön
dekoriert hatte. Aber.. irgendwie war er nicht da?
» Kann mal einer im Schlafzimmer
nachsehen, ob er einfach tot im Bett liegt oder so? «
» Ich hab kein Bock nen Nachruf zu
schreiben, machst du das dann einfach? «, meinte Chris zu mir.
» Ne, kein Bock. Ich hoffe, Cosmo hat
mir wenigstens irgendwas in seinem Testament vermacht. «, sagte ich scherzhaft.
» Jo, hier ist er auch nicht. «, meinte
Conni, der halb unter dem Bett war, um drunter zu sehen. Nach einer Weile
fanden wir uns im Flur zusammen.
» Ja irgendwie ist Cosmo gar nicht da.
«, sagte Tessi leicht genervt.
» Was ist, wenn er jetzt beim Flughafen
ist und wir ihn einfach nicht gefunden haben? «, meinte Chris besorgt.
» Gut, dass wir dann einfach bei ihm
eingebrochen sind. «, sagte Finn lachend. Tatsächlich war das jetzt
problematisch. Wir wollten schön bei Cosmo ne Feier machen, aber jetzt war
Cosmo gar nicht da. Genauso wenig wie Nylo. Aber der war wohl einfach viel zu
spät oder wollte gar nicht kommen.
» Leute. « Ich war etwas lauter, damit
ich die Aufmerksamkeit von allen bekam. » Was haltet ihr davon, wenn wir
einfach mal in Richtung Flughafen laufen und nach Cosmo sehen? So sollten wir
den eigentlich finden. « Ich bekam einheitlich von allen Zustimmung und so
gingen wir wieder aus Cosmos Haus raus, schlossen die Tür ab und gingen mit der
ganzen Bande zurück in Richtung Flughafen.
» Mensch, fängt ja schon mal gut an.
Cosmo wurde bestimmt abgestochen in irgend ner Ecke. « Finn wurde leicht
pessimistisch.
» Er konnte sich sicher die Getränke
nicht leisten, die er kaufen wollte und geht sich jetzt kurz prostituieren. «
Chris Theorie war mal wieder die Einleuchtendste. Von hinten hörte ich mehrere
Leute aus der Gruppe darüber lachen. Der Wind wurde unruhiger und der Himmel
bewölkte sich langsam, sodass die vielen Sterne, die am wunderschönen
Nachthimmel sichtbar waren, langsam verschwanden. Alles wurde düsterer und vor
allem auch kälter. So langsam fror mich fast in meinem Hemd und meiner Weste.
Als wir etwa auf halbem Weg zum Flughafen waren, hielt Steffen an und bückte
sich.
» Guckt mal, Leute. « Er zeigte uns
einen Stift. Es war ein Bleistift mit einem Raketenbohnen-Muster. Cosmo fuhr
mächtig auf die ab.
» Der gehört Cosmo… «, stellte Chris
fest. Der Stift befand sich ziemlich nah an einem offenen, großen Tor.
Wir alle richteten unseren Blick fast gleichzeitig nach links, wo wir eine alte
Villa sahen. Das Haus war relativ groß und machte einen sehr gruseligen,
schaurigen Eindruck. Einige Fenster waren mit Holzbretter vernagelt und an
vielen Ecken und Enden sah das Holz sehr modrig und ranzig aus, obwohl der
Baustil viele Verzierungen und kleine Holzschnitzereien aufwies. Soweit ich das
eben erkennen konnte. Es war immerhin schon dunkel. Sehr einladend wirkte die
Villa jedoch nicht. Nachbarn hatte dieses Haus nicht und stand somit etwas
fernab vom Rest. Als ich das Gebäude so sah, lief es mir schon etwas kalt den
Rücken runter.
» Cosmo.. ist da drin? «, flüsterte
Tessi.
» Der Stift war nicht wirklich auf der
Straße, der war schon in dem Eingang hier. Also muss Cosmo eigentlich in
Richtung der Villa gegangen sein. «, erklärte Steffen.
» Dann müssen wir da rein und Cosmo
suchen. «, sagte Chris entschlossen.
» Ob ihr behindert seid, hab ich
gefragt. «, rief Finn leicht verängstigt. » Wir können doch nicht schon wieder
irgendwo einbrechen. «
» Einfach mal klingeln und nett fragen.
«, meinte Max, der wieder viel zu optimistisch an die Sache ging.
» Und sollte Cosmo was zugestoßen sein,
dann sollten wir da auf jeden Fall hin. Er ist ja doch ein essenzieller Teil
der Jasra Familie. «
» Zur Not bin ich jetzt einfach Cosmo.
Ist auch ok. « Conni hatte sichtlich keinen Drang in diese Villa zu gehen.
» Leute, wir sind zu.. wie viele sind
wir eigentlich? Zwei, drei, vier.. sechs.. neun. Wir sind zu neunt, okay? Was
soll schon passieren? Kackt euch mal nicht so ins Knie. « Obwohl ich
tatsächlich auch Angst hatte, wollte ich das nicht so raushängen lassen.
» Ja gut, amenakoi. Auf geht’s. « Conni
stand ganz hinter mir … Auch wortwörtlich. Wir gingen alle relativ langsam auf
den Eingang zu.
» Kennt ihr diesen
Hans-Entertainment-Moment, wenn ihr eigentlich ne Halloweenparty feiern wollt,
aber dann in ner ranzigen Villa nach Cosmo suchen müsst? «, fragte Phil ganz
trocken. Max holte eine Taschenlampe raus, die er direkt anmachte. Etwas wohler
fühlte ich mich danach tatsächlich. Maddin ging vor die Haustür und suchte die
Klingel.
» Sowas gibt’s hier gar nicht. Da muss
man ja ganz klassisch mit so nem… Türklopfer an die Tür klopfen. Hat sowas
eigentlich irgendwie nen speziellen Namen? «, fragte Martin und deutete auf den
grimmig guckenden Metallkopf, an dem ein größerer, ebenfalls aus Metall
bestehender, Ring angebracht war.
» Ja, Türklopfer. «, antwortete Phil
wieder trocken, worauf Conni und Steffen dreckig loslachten.
Martin zuckte mit den Schultern und klopfte drei Mal an die Tür. Nichts.
» Coosmo? Bist du da driin? «, rief Tessi
voller Hoffnung. Nichts. Wir warteten kurz und waren fast davor wieder
umzukehren, bis sich die Tür laut mit einem Knall ruckartig öffnete.
» Digger, ob du die Tür auch sanft
aufmachen kannst, hab ich gefragt. «, rief Finn erschrocken in die Tür rein.
Ich schritt leicht nach vorne und versuchte drinnen etwas zu erkennen –
vergeblich.
» Max? Komm mal her und leuchte rein.
«, sagte ich in einem starken, aber nicht befehlerischen Ton. Max kam her und
hielt die Taschenlampe in die Tür rein. Man konnte im Foyer etwas verstaubte
Möbel erkennen. Und einen Rucksack! » Da! Da ist Cosmos Rucksack! Schnell rein
da! « Jetzt plötzlich schoss mein Adrenalin hoch und ich überlegte auch nicht
lange. Es ging um Cosmo also mussten wir auch sofort handeln! Die Anderen zeigten
auch keine Scheu mehr, nachdem sie von mir hörten, dass Cosmos Rucksack sich in
der Villa befand. In schnellen Schritten rasten wir in den Eingang rein,
während Max versuchte alles so gut wie möglich auszuleuchten.
» Hallo? Wo sind Sie denn? Herr oder
Dame, die uns reingelassen hat. «, fragte Martin recht freundlich.
Meine Ruhe wurde mir schlagartig weggerissen, als die Tür, durch die wir kamen,
hinter uns mit einem Ruck zuknallte und alles dunkel wurde. Nicht einmal Max
Taschenlampe konnte ich mehr erkennen. Dunkelheit. Stille. Jetzt wurde ich
panisch. Was ist passiert?! Ich griff um mich – versuchte jemanden von der
Gruppe zu packen um mich wenigstens etwas in Sicherheit zu wiegen. Nichts.
Niemand.
» Hallo?! Chris?! Tessi? « Nichts.
Keine Antwort. Langsam wurde mir fast schwummrig. Kein Oben, kein Unten. Keine
Orientierung ohne Licht. » Maddin?! Conni?! Irgendwer? « Ich schrie schon.
Keine Antwort. Stille.
II. Jacks Jammer
Beruhig dich, Jack,
sagte ich in Gedanken immer wieder zu mir. Das konnte alles gar nicht echt
sein. Mein Schreien schien ins endlose zu Hallen. Es fühlte sich nichts mehr
echt an. Das Einzige, was ich jetzt noch vernahm, war das schnelle Klopfen
meines Herzens, was ich jetzt sogar deutlich hören konnte. Es drehte sich alles,
es wandte sich alles, bis auf einmal ein Licht anging – und dann ein weiteres –
und noch eins. Mehrere Kerzen an Wandhalterungen schienen auf einmal an zu
gehen. Ich war extrem schockiert, weil ich einerseits versuchte
nachzuvollziehen, wie sich Kerzen von selbst anzünden und andererseits wie ich
in diesen Raum kam. Denn nach einigem Umsehen, musste ich unglücklicherweise
feststellen, dass ich alleine war. Und der Raum, in dem im war, ähnelte in
keinster Weise dem Foyer, in dem wir uns befanden. Intuitiv griff ich mir einer
der Wandkerzen, die auch zum herumtragen gedacht waren. Ich sah mich genauer
um. Ich befand mich anscheinend in einem Schlafgemach. Das weinrot bezogene
Doppelbett war groß, üppig dekoriert, mit einem Holzgerüst oben drauf, an dem
sich ebenso weinrote Vorhänge befanden. Jedoch war alles sehr verstaubt und das
ehemals kräftige rot konnte man sich nur noch denken. An den Wänden hingen
mehrere antik wirkende Gemälde. Meistens war darauf ein Paar dargestellt, bei
dem jedoch bei allen Gemälden das Gesicht des Mannes zerkratzt war. So wie die
Bilder aussahen, machten sie einen äußerst traurigen und deprimierenden
Eindruck. Meine Gedanken fuhren wild durch die ganzen Szenarien, die sich hier
abgespielt haben könnten. Ehebruch mit einer Liebhaberin? Plötzlicher Tod des
Geliebten? Was ist hier geschehen? Als ich so ganz fasziniert die Bilder ansah
und mir ausmalte, was die Geschichte des Hauses sein könnte, hatte ich fast die
Tatsache verdrängt, dass ich hier vielleicht schleunigst raus sollte. Und als
mir das wieder bewusst wurde, ging ich zu der einen Tür die ich sah, die mit
einem lauten Knarzen aufging und befand mich in einem schwach beleuchteten
Korridor, der auch sehr verstaubt und verranzt aussah. Wieder machte es keinen
Sinn. Wieso brannte Licht, wenn hier keiner wohnte? Ein sehr unwohles Gefühl
schlich sich mir ein. In dem Korridor befanden sich mehrere Türen und so recht
wusste ich nicht, wo ich hin sollte. Orientierung existierte gerade nicht mehr.
Ich hatte kein Plan wo ich her kam oder wo ich hin musste. Also ging ich
einfach den Gang weiter entlang, der verziert war mit verstaubten Blumenvasen,
die nur einige verdorrte Stängel aufwiesen und weiteren diversen Gemälden, die
triste, düstere Orte oder Landschaften darstellten. Und obwohl ich
Landschaftsgemälde eigentlich total liebte, lief es mir bei diesen Orten
eiskalt den Rücken herunter. Als ob es nicht schon genug wäre, dass ich mich in
so einer angsteinflößenden Villa mitten in New Andora befand. So langsam
bereute ich es, dass ich vorgeschlagen hatte bei Cosmo zu feiern. Wir hätten
gut eine ranzige Feier zwischen Pappkartons im Jasra Café machen können. Oder
einfach bei irgendjemand anderem! Wir sind ja so viele Jasras. Aber jetzt
brachte mir Reue nichts mehr. Knarzgeräusche und ein unruhiger Wind verlieh der
Villa eine noch unschönere Atmosphäre. Ich drehte am Türknauf der Tür am Ende
des Korridors und ging hindurch. Ich befand mich wohl in einer Art Küche. Ich
sah viel ungespültes Geschirr und dreckige Töpfe… ganz so wie zuhause. Da
musste ich doch kurz lachen. Was vielleicht keine gute Idee war, da mich ein
lauter Knall eines Schrankes aus der Ruhe riss. Eine Gestalt befand sich an
einem Schrank und blickte mit leuchtenden, riesigen Augen zu mir.
» Jack?! « Die Gestalt kam näher auf
mich zu und entpuppte sich als Steffen. » Jack heilige Scheiße, ich dachte ich
verreck hier! « Steffen rannte auf mich zu und umarmte mich beinahe so, als wäre
ich eine großbrüstige, dunkelhäutige Sängerin.
» Steffen! Heilige Scheiße, ich hätte
mich fast eingekotet. Deine Brille hat im Kerzenlicht so unheimlich geleuchtet.
« Ich holte tief Luft. » Aber… was hast du hier überhaupt gemacht? Und vor
allem… wie sind wir hierher gekommen? «
» Ja also… Ich hab hier die Schränke
durchsucht, ob es hier nicht was zu essen gibt. Oder zumindest n Bierchen. «
Ich sah ihn mit einem zerknautschten Gesicht an.
» Wir sind hier in ner fremden,
verranzten Villa, die – und das möchte ich mal anmerken – uns nicht gehört, und
du suchst nach nem Bierchen?! «
» Naja, du weißt doch, wenn ich hungrig
bin, werd ich zur Diva. Hehehe. « Steffen wirkte äußerst desillusioniert.
» Steffen, wir sollten uns schleunigst
hier raus machen. «
» Guter Plan. « Steffen war dicht
hinter mir, als wir durch die Küche gingen und durch die andere Tür wieder
hinaus schritten. Wir befanden uns jetzt in einer Art von kurzem Korridor, der
einmal links um die Ecke bog.
» Von hierher kamst du, oder? «, fragte
ich Steffen.
» Also.. wenn ich ehrlich bin, kommt
mir das ziemlich unbekannt vor. « Steffens Unsicherheit sorgte bei mir für
ziemlichen Unmut.
» Na super. Lass einfach mal
weitergehen. Ganz so wie ein automatischer Staubsaugerroboter, sollten wir
irgendwann den Ausgang zufällig finden. «, meinte ich zu Steffen, der darauf
leicht gezwungen lachte. Wir gingen einmal um die Ecke, nur um wieder eine Tür
zu finden. Als wir durch schritten, kamen wir in einen Raum, der dem letzten so
ziemlich gleich war.
» Wie.. Geht das jetzt einmal rum..? «,
stellte Steffen fest. Steffen ging um die nächste Ecke und öffnete wieder eine
Tür. Ich zuckte ganz erschrocken, als die Tür hinter uns ebenfalls aufging.
Dort sah ich.. Steffen…
» Steffen… das ist jetzt extrem weird und
gruselig. Stell dich mal hier in die Mitte. « Steffen kam wieder zurück und so
ging ich an die Tür. » Jetzt guck dir mal beide Türen an. « Steffen drehte sich
nach links. Und wieder nach rechts. Und wieder nach links.
» Häh? Wat?! « Steffen sah ähnlich
geschockt aus wie ich gerade. Ich ging wieder zu Steffen.
» Also.. ich kann das gerade nicht ganz
fassen, aber irgendwie sitzen wir hier in einem Raum, der nicht ganz den Regeln
der Physik folgt.. Dementsprechend sitzen wir so fest. « Leichte Panik machte
sich bei mir aus. Steffen sah sich um und musterte die Wände. Dann ging er zu
einer Kiste, die an einer der Wände angelehnt war und schob sie weg. Dahinter
befand sich ein kleiner Schacht – groß genug um durch zu krabbeln. Jedoch hatte
ich keine sonderlich große Motivation den Schacht zu betreten.
» Ja ne, bleibt wohl nix anderes übrig.
«, meinte Steffen seufzend. Steffen bückte sich, nahm die Abdeckung des
Schachtes ab und kroch rein. Ich war äußerst erfreut, dass ich nicht als erstes
hinein musste und dass das keine große Diskussion gab. Ich folgte ihm direkt
und krabbelte den scheinbar endlosen Schacht eine Weile entlang. In meinem
Blickfeld nur der Hintern von Steffen – was so im Nachhinein auch nicht
unbedingt der beste Anblick war.
» Nicer Arsch, Steffen. «, sagte ich
aus Scherz, worauf Steffen laut loslachen musste – und zwar wirklich laut, weil
das in dem Schacht richtig gehallt hatte.
» Danke, Jack. « Der enge Durchgang war
an vielen Stellen verrostet und leichter Unmut breitete sich bei mir aus, weil
er ziemlich wackelig erschien und die Geräusche vermuten liesen, dass alles
gleich einkracht. Ein Schrei! Ohne Vorwarnung schrie Steffen laut auf! Das Herz
rutschte mir in die Hose und ich stieß ebenfalls einen Schrei aus. » Oh..
sorry. Ich dachte, ich hab da was gesehen. «
» Heilige Scheiße, erschreck mich nicht
dauernd so krass zu Tode. «, flüsterte ich ihm von hinten zu.
» Ich kann doch nix dafü.. oh. Guck
mal. Der Schacht ist zu ende. « Steffen öffnete das Gitter von innen und wir
stiegen wieder raus. Ich klopfte den Staub von meinen Hosen weg und sah mich
anschließend um. Wir befanden uns in einem weiteren Korridor, diesmal aber ein
gerader. Gott sei dank waren wir da rausgekommen. Bevor ich mich aber genauer
umsehen konnte, jagte ein Windstoß durch den Gang, der meine Kerze ausblies.
Steffen schrie aus Panik und klammerte sich wieder an mich. Jetzt hatte ich
aber auch Angst. Es war komplett dunkel und im Prinzip wärs kein Wunder
gewesen, hätte uns jemand gleich abgestochen. Jetzt war es still. Ich hörte nur
Steffen und mich atmen. Bis… wir Fußstapfen vernahmen. Steffens Griff wurde
merkbar fester. Knall! Mit einem lauten Schlag wurde eine Tür aufgerissen und
ein gleißender Lichtstrahl kam heraus, der uns binnen Sekunden blendete.
» Jack?! Steffen?! Oh! « Ich wäre
beinahe ohnmächtig geworden vor Angst. Es war Max!
» Max! Um Gottes willen, Maaax! « Noch
nie war ich so erfreut darüber, Max zu sehen. Oder überhaupt jemanden zu sehen,
den ich kenne.
» Max, Gott sei Dank… « Auch Steffen war
erleichtert.
» Puh. Dann war meine Theorie doch
falsch. Ich dachte, dass mir jemand Flügel aufgesetzt hat mit denen ich mich
verflogen hab und alle anderen wurden zu Kerzen verwandelt! «
» Wat. Wie zum Teufel bist du auf sowas
gekommen?! Ach egal. Lass uns die Anderen suchen und dann schnell raus hier. «
» Gute Idee! «, rief Max wieder überaus
optimistisch. Max war mal wieder viel zu fröhlich dafür, dass wir uns
eigentlich in einer äußerst prekären Lage befanden. Aber er hatte immerhin eine
Taschenlampe, an die keiner von uns anderen Vollidioten dachte. Zumindest
Steffen und ich hatten keine dabei.
Als wir dann entschlossen in eine Richtung gingen, ertönte aus einem der
Nebenräume ein schmerzhafter Schrei eines Babys. Und glaubt mir, ein
kreischendes Baby ist das letzte, was ihr in einer alten, verlassenen Villa
hören wollt. Es lief mir wieder eiskalt den Rücken runter und auch Steffen und
Max erstarrten sofort. Was sollte man in so einer Situation denn tun?! Ist da
denn wirklich ein Kleinkind in Gefahr oder laufen wir da direkt in den Tod?
» Das ist doch locker nur ein Tonband,
was Cosmo da reingetan hat! Höhö! « Max war erneut viel zu optimistisch und
griff sofort zur Tür aus der das Geräusch kam und riss anschließend die Tür
auf. Als er mit seiner Taschenlampe reinleuchtete, sahen wir an den Wänden
bunte Tapeten, die wohl mal etwas Verspieltheit und Fröhlichkeit ausgestrahlt
haben, jetzt aber nur noch extrem traurig und heruntergekommen wirkten. Wir
gingen widerwillig hinein. Das Zimmer beinhaltete mehrere ehemals bunte Möbel,
bei denen sich größtenteils die Farbe schon abgeblättert hatte. In der Mitte
des Zimmers war ein Kinderbett… Max ging schnellen Schrittes hin um dort sein
vermeintliches Tonband rauszunehmen… hob jedoch aus dem Bett eine überaus
verängstigende und gruselige Babypuppe raus. Ein Arm fehlte und aus den Augen
kam eine rote Flüssigkeit. Max leuchtete genauer auf den Kopf… Die Flüssigkeit,
die wie Blut aussah, lief immer noch aus den Augen heraus… Bei diesem surrealen
und ekelhaften Anblick schüttelte es mich durch den ganzen Körper. Die Puppe
fing an ungewöhnlich zu zittern und ein ohrenbetäubender Babyschrei, der
garantiert nicht aufgenommen klang, tönte aus dem Kleinkind heraus. Als Max die
Bewegung des Babys spürte, lies er die Puppe reflexartig wieder in das
Kinderbett fallen, welche dort immer heftiger umhersprang. Mit einem lauten
Knall zerriss die Puppe, jedoch ohne Licht und ohne sichtbare Explosion.
Lediglich eine Druckwelle riss uns vom Boden gegen die Wand. Mit einem stechenden
Schmerz fiel ich zu Boden, rappelte mich aber langsam wieder auf.
» Was zum Teufel war das denn?! Geht’s
euch gut? «, versuchte ich mich zu vergewissern.
» Ja, hab mir zwar etwas meine Birne
angestoßen, aber es ist alles ok. «
» Jap, alles gut. «, meinte Steffen.
Max stand auch wieder auf und leuchtete neugierig in das Kinderbett hinein.
» Da ist.. nichts. «, stellte er fest.
Steffen ging auch hin.
» Die Puppe ist weg. Hat sie sich jetzt
in Luft aufgelöst? «, Steffen war genauso verwirrt.
» Los. Wir müssen weg hier. « Weitere
Babyschreie ertönten und das Mobile, was sich über dem Kinderbett befand fing
plötzlich an auszurasten. Der Boden unter unseren Füßen bebte leicht. Mit einem
Schuss Adrenalin jagte es uns alle aus dem Zimmer raus. Ich hechelte. Steffen
sprang mit der Seite gegen die nächste Tür und riss sie somit auf. Er fing sich
direkt wieder und wir rennten weiter. Von Tür zu Tür. Es sah alles so gleich
aus und alles wirkte wie ein großer Irrgarten. Sollte tatsächlich jemals jemand
hier gewohnt haben, dann war das wohl jedes Mal eine anständige Herausforderung
die Toilette zu finden, bevor man sich einkackt, dachte ich. Ich schloss die
nächste Tür hinter uns, stellte mich dagegen und hielt kurz inne. Auch die
anderen verschnauften kurz. Die Schreie waren verschwunden – es wurde endlich
wieder ruhig. Vor uns sahen wir nun eine etwas größere Doppeltür, die schön
verziert war.
» Hier geht es doch locker zu nem
wichtigeren Raum, so schön, wie die Tür ist. «, bemerkte Steffen. Max, so neugierig,
wie er ist, öffnete die Tür sogleich und vor uns erstreckte sich eine große,
offene Halle, die zu meiner Überraschung wunderschön durch Mondlicht
ausgeleuchtet wurde. Die Wolken haben sich scheinbar verzogen und im Vergleich
zu den Restlichen Lokationen war dieser Ort hier sehr verträumt. Es war
gleichzeitig wunderschön, aber auch traurig, da dieser Ort ebenfalls vom Zahn
der Zeit angenagt wurde. Große Banketttische befanden sich am Rand der Halle.
Einige hatten noch die Tischdecke darauf, andere waren ganz eingestürzt.
Dekorationen und Kerzen erfüllten lange ihren Zweck nicht mehr. Die große
Tanzfläche auf der Mitte war zwar sehr staubig und einige Herbstblätter
befanden sich auch darauf, die wohl durch einige der kaputten Fenstern
reingeweht wurden, aber war an sich größtenteils immer noch frei.
» Whoah.. «, kam es von Steffen nur.
Max stand da nur mit offenem Mund. Der Anblick war wirklich wunderschön trotz
der Verwitterung.
Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich ein Klavier ertönen hörte. Max schaute
sich schon heftig um, konnte jedoch auch keins finden. Ein heller Lichtstrahl
erhellte die Tanzfläche, als etwa zwei Meter über dem Boden eine geisterhafte
Gestalt schwebte und begann zu tanzen. Es war.. eine Frau in einem sehr alten,
jedoch wunderschönen Kleid. Ich konnte ihr Gesicht nicht ausmachen. Sie schien
mit jemandem zu tanzen, den man aber nicht sehen konnte.
» Jack.. hab ich Drogen genommen oder
tanzt da ein Geist..? «, sprach Steffen geschockt.
» Du meinst, drei. «, sagte Max
begeistert. Tatsächlich taten sich weitere Geister auf… und noch mehr. Fast
schon im Takt des Pianos erschienen weitere Geister, diesmal mit Partner, die
einen Walzer etwa zwei Meter über dem Boden tanzten. Es war ein phänomenaler,
aber auch extrem beängstigender Anblick. Es war eine Szene, die hier sicher vor
hunderten Jahren mal so stattgefunden hatte, jedoch waren es jetzt nur noch
Schatten ihres damaligen Selbst.
» Sieh dir die da mal an! « Steffen
deutete auf einen der Geister, die scheinbar tot umfielen.
» Aber Geister sind doch schon tot,
wieso fallen die tot um…? Also ich glaube ich hab da so ne Theo- «
» Noch einer! «, unterbrach Steffen
Max. Tatsächlich verschwanden nach und nach die Geister wieder und der Tanz
wurde immer einsamer und trister, bis nur noch die erste transluzente Dame in
der Luft tanzte, jetzt jedoch ihre Bewegungen abänderte. Sie drehte sie zu mir
und sah mich direkt an. Jetzt erkannte ich, dass ihre Augen fehlten und ihr
Gesicht eher dem eines Skelettes glich. Sie zeigte mit dem Finger auf uns und
machte eine Geste, dass wir ihr folgen sollten. Ohne groß zu zögern, tanze sie
weiter, jedoch in Richtung rechte Tür und verschwand einfach durch die Wand.
» Los, hinterher! «, rief ich
entschlossen und zu dritt stürmten wir durch die Tür. Gerade im letzten Moment
konnten wir erkennen durch welche der drei nächsten Türen die geisterhafte Dame
tanzte. Max riss die nächste Tür auf. Wieder schienen wir in einer Art
Labyrinth zu sein, das nie zu enden schien. Tür für Tür folgen wir ihr, bis wir
sie aus den Augen verloren. Jetzt standen wir vor zwei weiteren Türen und
wussten nicht wohin.
» Also… Ich hab da wieder so ne
Theorie. Ihr kennt ja den Spruch: Links sind die bösen Things. Also gehen wir
auch rechts entlang. « Ich war geschockt über die Entschlossenheit mit der Max
die rechte Tür öffnete. Als er sie öffnete, fanden wir uns in einem größeren
Raum wieder, der schön in orangenem Licht erhellt war. Wir schritten rein,
schlossen die Tür hinter uns und holten erstmal tief Luft.
» Das muss ein Traum sein, oder? Das
ist doch alles nicht real. «, rief Steffen verunsichert. So langsam hoffte ich
aber wirklich, dass das alles nur ein schlechter Traum war.
Die Ruhe weilte aber nur kurz, da aus einer Tür an der Seite ein Stöhnen kam.
Ich erschrak erst, erkannte dann aber sofort die Stimme. Ich rannte hin, riss
die Tür auf… nur um Nylo auf dem Boden zu sehen, der sich streckte.
» … Jack? Was zum… Wo sind wir hier? «
Nylo war noch viel verwirrter als wir es alle waren. Der Raum war ziemlich
klein. Wirkte eher wie eine Besenkammer. Nicht weit von ihm lag Cosmo auf dem
Boden.
» Cosmo! Du bist doch nicht tot! «
Cosmo machte langsam die Augen auf.
» W-Was… Baigh.. Oh ne, ihr seids. Huch? Wo sind wir?
Und warum liegt Nylo in so einer erotischen Pose neben mir? « Cosmo war
scheinbar noch viel verwirrter als Nylo es war und vor allem als wir es waren.
» Leute, habt ihrs da drin getrieben
oder was? «, meinte Steffen lachend.
» Nein natürlich nicht, du Wichser! «,
antwortete Nylo wütend. Er sprang hoch und stieß sich den Kopf an einer
Metallstange, die auf Kopfhöhe an der Wand seitlich angebrachte war. » Aua.
Scheiße, das gibt erstmal ne Beule auf der Birne. « Cosmo lag nur lachend aufm
Boden, so schadenfroh wie er war.
» Oh… Dann war das alles gar nicht von
Cosmo inszeniert..? « Max bemerkte jetzt erst, dass das alles keine Fakeshow
war. Ich half Cosmo auf die Beine.
» Vorsicht, sonst stößt du dir auch die
Gewürzgurke. « Cosmo wich der Stange aus, stellte sich wackelig auf die Beine
und schüttelte sich etwas. Wir gingen aus dem kleinen Kämmerchen raus und
stellten uns zurück in die Haupthalle.
» Schön sieht‘s hier aus. «, stellte
Cosmo fest, dem der Ernst der Lage auch nicht ganz bewusst war.
» Sag, Cosmo, wie seid ihr beide da
jetzt reingekommen?! « Cosmo setzte sich auf den Boden.
» Das lief so ab. Ich war da vorhin
Einkaufen und las mir gerade was auf einer Zeitschrift durch.
III. Cosmos Courage
Gangsterbande nach
jahrelangem Prozess schuldig gesprochen. Rund 50 Gangster und ein Leader müssen
für das Nehmen von Drogen und die Festnahme dutzender Leute ins Gefängnis. Die
Heela Polizei spricht von einem historischen Tag, der die von nun an ewig
währende Freiheit der Heela Kanalisation einläuten soll – Mir entkam ein kurzer
Lacher gefolgt von Kopfschütteln während ich diesen vierzeiligen Absatz las.
» Wer hat das denn bitteschön
geschrieben? Ein Zwölfjähriger? « – Ich stand an der Kasse meines
Lieblingssupermarktes in New Andora. Jener Text war auf einem Revolverblatt
abgedruckt welches im Zeitungsregal an der Kasse stand.
» Naja, der Pöbel will immerhin auch
informiert bleiben. Um das zu erzielen muss das Niveau gerne mal gesenkt
werden. «, antwortete Hans, der Verkäufer, mit einem leichten Grinsen auf den
Lippen während er meine Waren in die Registerkasse eintippte.
Es war der 31. Oktober, Halloween. Ich hatte noch etwa drei Stunden Zeit, bevor
ich die ganze Familie am Flughafen abholen sollte. Ich blickte auf die Wanduhr
welche hinter der Kasse hing. 16 Uhr 14, dachte ich mir stolz. Das ist wohl das
erste Mal dass ich pünktlich am Vorbereiten bin und keine Last Minute Aktion á
la ‚Oh Gott, ich hab ja ganz vergessen dass XY heute Geburtstag hat und ich
noch kein Geschenk für ihn habe‘ veranstalten muss.
» Das wären dann… 140 Rupees bitte. «,
sprach Hans nachdem er alle meine Einkäufe eingetippt hatte. Ich zückte meine
Geldbörse und gab ihm 150 Ruppes bar in die Hand.
» Passt schon so «, sagte ich und
packte meine Einkäufe in den Rucksack: Ein paar freejanische
Stier-Filetstreifen, Kürbisse für eine Sauce, diverse Gewürze und
selbstverständlich Getränke, alkoholfreies sowie hochprozentiges.
» Danke dir, und viel Spaß heute Abend!
«, sagte Hans und überreichte mir den Kassenbon. Ich hängte mir den Rucksack um
die Schultern und verließ den Laden.
Ich machte mich schleunigst auf den Weg nach Hause um die Zubereitung vom
Festmahl fristgerecht fertigstellen zu können. Die Zeit war perfekt, damit die
Speisen noch warm wären, wenn alle ankämen. Wie üblich passierte ich die
Bushaltestelle vor dem Kino in New Andora. Aus dem Bus kam jede Sorte von
Mensch die ich hier erwartet habe. Die Touristen aus Leona, welche sofort ihren
Fotoapparat zückten um das historische Kino zu fotografieren und halbtote
Alkoholleichen die jetzt schon besoffen waren. Doch die letzte Person die aus
dem Bus stolperte hatte ich absolut nicht erwartet. Zumindest noch nicht. Es
war Nylo. Er wirkte leicht desillusioniert und blickte unruhig durch die Gegend.
» Öh.. Nylo? «, rief ich während ich
mich schnellen Schrittes der Bushaltestelle näherte. Mit einer blitzartigen
Bewegung drehte sich Nylo zu mir um und grinste.
» Ah Cosmo, guten Aben.. Ich meine
Guten Morgen. « Ich sah ihn mit leichter Skepsis an und sagte:
» Du bist etwas… früh hier, kann das
sein? «
» Ich muss ja auch nicht auf den
letzten Drücker hier sein! Vor allem hab ich keinen anderen Flug erwischt, weil
Jack der Hurensohn erst gestern mit dem Plan ankam! «, antwortete Nylo und
lachte.
» Na gut, dann komm Mal mit. Kannst mir
ja beim Kochen helfen, wenn du deinen Jetlag halbwegs auskuriert hast. «, sagte
ich und ging langsam weiter. Am Weg plauderten Nylo und ich über unser Leben,
was geschah, was passieren wird. Plötzlich blieb Nylo jedoch ruckartig stehen,
als ein lauter Hilfeschrei aus mittlerer Distanz erhallte. Sein Blick fiel auf
die alte Maitland Villa, welche etwas entfernt vom Straßenrand stand.
» Da kam ein Schrei aus der Villa da …
Was zum Teufel, das sieht ja eins zu eins aus wie aus einem Horrorfilm «,
sprach Nylo mit herunterhängender Kinnlade. Ich nickte:
» Kann man wohl so sagen. Vielleicht
sollten wir- « Noch bevor ich diesen einen Satz zu Ende sprechen konnte,
bewegte sich Nylo schnellen Schrittes zur Villa und zog mich an meinem Rucksack
mit. Durch die ruckartige Bewegung fiel mein Rucksack auf den Boden. Ich duckte
mich um ihn aufzuheben und packte ihn wieder zurück auf meinen Rücken. Nylo war
mittlerweile schon einige Meter vor mir.
» Hey «, rief ich. » Du kommst da
sowieso nicht rein, die Villa ist schon seit Jahrzehnten verriegelt. «. Doch
Nylo ließ sich nicht beeindrucken:
» Vielleicht stirbt da gerade jemand! «,
antwortete er. Widerwillig folge ich ihm. Am Haupteingang angekommen
inspizierte Nylo die Villa. Die Fensterscheiben waren fast alle eingeschlagen,
dahinter waren dicke Holzbretter welche das Innere der Villa völlig
abschirmten. Vor uns war eine große Holztür welche von deutlichen Gebrauchsspuren
gebrandmarkt war. Nylo griff nach der völlig überdimensionierten Türklinke. » Uff,
die bewegt sich ja kein Stück «, flüsterte Nylo während er mit voller Kraft
versuchte die Klinke nach unten zu drücken.
» Kein Wunder, immerhin hat die seit 12
Jahren niema- « – Plötzlich ertönte ein lautes metallisches Geräusch. Nylo hatte
es tatsächlich geschafft die Türklinke nach unten zu drücken. – » -nd geschafft
«, sagte ich leicht erstaunt. » Hast du sie jetzt kaputt gemacht? «, fragte ich
und blickte mich um, um sicherzustellen, dass uns niemand beobachtet. Nylo
drückte seine Hand gegen die Tür. Ich erschrak, als ich bemerkte, dass sich die
Tür mit einem lauten Knarzen tatsächlich öffnete. Wie war das möglich? Wie an
den Gebrauchsspuren zu erkennen war, waren in den letzten Jahren immer wieder
Menschen hier die versucht hatten hineinzukommen. Ich drehte mich kurz zur
Straßenseite, weil ich dort ein Geräusch vernahm, was aber wohl nur ein Vogel
war. Als ich mich wieder umgedreht hatte um zu Nylo zu blicken war er
verschwunden. » Nylo, bist du wahnsinnig? Wir können doch nicht einfach in
irgendein Haus einbrechen! «, rief ich in Richtung der Dunkelheit die hinter
der Tür zu sehen war. Nachdem keine Antwort zurückkam wagte ich mich ein paar
Schritte in die Villa hinein und rief erneut nach Nylos Namen. Ich drehte mich
in alle Richtungen und stellte fest dass es auf einmal überall dunkel war. Wo
war die Tür? Ich lief panisch in irgendeine Richtung. Ich konnte nicht einmal
Silhouetten im Dunkeln ausmachen und so war es keine Überraschung, dass ich mit
voller Wucht gegen einen Gegenstand in Kopfhöhe knallte. Ein Funkeln vor den
Augen war meine letzte Erinnerung bevor ich bewusstlos zu Boden fiel. «,
erzählte Cosmo uns.
» Der Wahnsinn.
Also war Nylo nie zu spät, sondern sogar zu früh da? «, stellte Steffen
erstaunt fest.
» Ihr seid solche Huren! «, rief Nylo
wieder wütend.
Ein extrem lautes Knallen und mehrere Schreie unterbrachen unser Gespräch.
» Obacht! « Cosmo schubste mich weg,
damit mich die große, rundliche Lüftungsschachtabdeckung nicht erwischte, die
eben ein Stück weiter oben von der Wand runterflog, gefolgt von… Martin,
Constion und Phil.
» Auua mein Aaarsch. «, stöhnte Maddin.
» Phil amenakoi, geh von mir runter.
Intim können wir später werden. «, rief Conni genervt.
» Aaaarrghhh! « Phil gab nur wütende
Schreie von sich, gefolgt von Husten.
» Zum Glück haben wir euch wieder
gefunden. Wie zum Teufel seid ihr bitte durch diesen Schacht gefallen?! «,
fragte Steffen neugierig. Die drei rappelten sich wieder auf und schüttelten
sich erstmal durch. Martin schnaufte dann kurz auf, setzte sich zu Boden, gab
uns ein Zeichen uns auch hinzusetzen und holte noch einmal tief Luft.
» Also Leute. Ganz verrückte
Geschichte, aber hört zu. Zuallerst…
IV. Martins Madness
Die Tür knallte zu
und absolute Dunkelheit herrschte jetzt im Raum. Meine Worte, die eben noch
durch den Raum hallten, waren vollständig verschluckt worden.
Als mir ein leises » Hallo? « über die Lippen ging, wurde meine Vermutung nur
noch mehr bestätigt. Meine Worte würden niemanden erreichen, denn ich war nun
allein. Ohne nur etwas im Geringsten sehen oder hören zu können, setzte ich mit
wachsender Anspannung einen Fuß vor den anderen. Ich dachte zwar, dass ich
durch all die Horrorfilme, die Freitagsabend im Fernsehen liefen, gestählt war,
doch war das hier im Gegensatz zu einem Horrorfilm der reinste Albtraum.
Langsam konnte ich ein vages Licht vor mir ausmachen. Das Licht, das ich von
einem dämmrig beleuchtenden Korridor vermutete, schien in den Raum oder Saal in
dem ich mich befand. Sofort beschleunigte ich meine Schritte, bis ich
irgendwann den Durchgang erreichte. Ich hatte recht. Ein spärlich beleuchteter
Korridor, in dem sich nur ein rustikaler Tisch befand mit einem feinen,
handgestrickten Deckchen unter einem Kerzenständer, spendete mir Erleichterung.
Zurückschauen wollte ich gar nicht erst, doch die Versuchung war groß. Ich
versuchte, mich selbst zu beruhigen und näherte mich dem Tisch. Als ich vor
diesem stand, schaute ich mich um und versuchte die Umgebung näher auszumachen.
In einiger Entfernung machte der tür- und fensterlose Korridor eine Biegung und
nach einiger Überwindung schaute ich auch zurück. Dort, wo eigentlich der
Eingang zum Korridor hätte sein müssen, war nun eine kahle Wand mit einem
Portrait. Die Augen der darauf abgebildeten fetten, alten Frau starrten mich
unentwegt an, worauf sich meine Nackenhaare aufstellten. Als ich mich
schüttelte und versuchte mir einzureden, dass das Portrait mich nicht anstarrte,
spähte ich genauer hin. Die Dame starrte nur geradeaus auf die
gegenüberliegende Wand. Erleichtert drehte ich mich um und machte mich auf den
Weg, um zu sehen, was sich hinter der Ecke des Korridors verbarg. Was blieb mir
Anderes übrig, ich war allein und musste die Anderen finden. Wenn dies ein
Scherz war, war es ein verdammt schlechter.
Auf halbem Weg den
Korridor entlang, das Licht der Kerze im Rücken und meinem eigenen Schatten
folgend bemerkte ich, dass ich nicht allein war. Hatte das Portrait sich nun
selbstständig gemacht und die alte Dame verfolgte mich? Als ich mich langsam
umdrehte und die Wand nach dem Bild absuchte, fand ich es unverändert an der
Wand hängen. Ein weiteres Mal atmete ich erleichtert auf und näherte mich der
Ecke.
Ich riss meine Augen weit auf als ich wusste, warum ich die Befürchtung hatte,
nicht allein zu sein. Ein anderer Schatten, der hinter der Ecke des Korridors
auf mich zu warten schien, erschreckte mich so extrem, dass ich Halt verlor.
Mich an der Wand abstützend näherte ich mich langsam der Kante und versuchte
einen Blick auf das etwas oder jemand zu erhaschen, dass sich hinter der Ecke
befand.
Selbst nur im fahlen Kerzenschein konnte ich sofort die Person ausmachen, die
mit dem Rücken zu mir stand, denn das Erste, das ich sah, waren fast schon selbstlumineszente,
rote Haare.
» Conni! «, rief ich und stürmte hinter
der Ecke hervor. Conni selbst, der ersichtlich froh war, mich zu erblicken,
stieß einen lauten Rülpser aus. Leicht angewidert von dem Geruch, den der
Rülpser ausstieß, aber dennoch glücklich, kam ich auf ihn zu.
» Amenakoi, Bruder! «, brach es aus
Conni heraus. » Endlich finde ich mal jemanden in dieser Bruchbude. Als alles
Dunkel wurde, bin ich einfach losgerannt und war auf einmal in diesem
verschissenen Flur! «
» Mir ist annähernd dasselbe passiert.
Jetzt können wir wohl davon ausgehen, dass jeder in dieser alten Horrorvilla
verstreut ist. «
Wir beschlossen, gemeinsam nach den anderen Familienmitgliedern zu suchen und
erkundeten erst einmal den Korridor, in dem wir uns beide befanden. Der
Korridor wies auch nach der Biegung keine Türen auf und erstreckte sich zig
Meter in die Ferne, als wolle er uns einladen, freiwillig das Opfer eines
grässlichen Monsters zu werden, das in dieser Horrorvilla haust. Den Flur
entlang schlendernd, der sich immer weiter verdunkelte, dachte ich, dass es
vielleicht klüger gewesen wäre, die Kerze mitzunehmen. Jedoch gewöhnten sich
meine Augen langsam an die Dunkelheit. Conni, der wahrscheinlich aus dem
Versuch heraus, seine Angst zu verstecken andauernd anfing, mir Witze zu
erzählen, die alle mit » Kommt ne Frau beim Arzt.. « anfingen, lockerte sich
die Stimmung etwas.
Nachdem wir geschätzt mehrere Minuten unterwegs waren, meldete sich Conni zu
Wort:
» Guck mal, da vorne ist der Flur zu
Ende! « In die Dunkelheit spähend, erkannte ich, dass er Recht hatte. Nun schon
fast rennend erreichten wir eine Art Foyer, die der Eingangshalle ziemlich
ähnlich war. Verstaubte Möbel, ein paar pflanzliche, vertrocknete Dekorationen
und eine riesige Flügeltür. Conni schien es kaum erwarten zu können, aus diesem
Haus rauszukommen, denn er ging direkt auf die Tür zu, bevor ich ihn stoppen
konnte.
» Hey, warte doch auf mich! «, rief ich
ihm nur nach. Er schaute gar nicht zurück und entgegnete:
» Komm schon, du hast doch selbst
gesagt, dass wir die Anderen finden müssen und ich sehe hier keinen anderen Weg
heraus! «
» Aber findest du nicht auch komisch,
dass diese Halle genau wie das Foyer im Eingang aussieht? «, fragte ich in
einem Anflug von Angst. Conni hörte nicht weiter auf mich und zog mit aller
Kraft an dem Knauf. Mondlicht, das sich in meinen Augen wie gleißendes
Tageslicht anfühlte, strömte uns entgegen. Wir traten aus dem Foyer über die
Türschwelle und musterten unsere Umgebung. Wir standen am Eingang eines riesigen
Gartens, den niemand von der Vorderseite des Hauses vermutet hatte. Dieser war
wie eine Art Labyrinth ausgelegt, weil der Hausbesitzer wahrscheinlich entweder
einen schlechten Geschmack hatte oder nach einer Möglichkeit, ungebetene Gäste
wie uns loswerden zu können, gesucht hatte. Der Irrgarten erstreckte sich, ohne
ein Ende erkennen zu können, in die Länge. Ich drehte mich um, um
festzustellen, ob wir überhaupt noch auf demselben Grundstück waren, in dem wir
Cosmo vermutet hatten. Die Fassade war dieselbe, obwohl ich mir nicht viel von
der Kulisse der trostlosen Villa merken konnte, da Phil mich andauernd
vollgelabert hatte, dass wir doch mal wieder Chinesisch essen gehen müssten. In
diesem Moment vermisste ich ihn umso mehr, genau wie die anderen Jasras.
Wir begaben uns die langen Stufen, die von dem Anwesen herunter in den
Irrgarten führten, hinunter, als Conni plötzlich innehielt.
» Hörst du das auch? «, fragte er, ohne
mich anzusehen. Bevor ich überhaupt mit einem Nein antworten konnte, rannte er los,
als würde er wieder einmal von seiner Schwester Olaf verfolgt werden, von der
er laut seiner Weinerei dauernd verprügelt wurde. Zielstrebig rannte er um
Windung und Ecken, durch Abzweigungen und Biegungen, wobei er immer schneller
wurde. Ich, der nur noch das Grün vor den Augen sah und Conni langsam aus den
Augen verlor, kam langsam aus der Puste. Als ich vor der nächsten Kreuzung
stand, war ich wieder einmal alleine.
Ohne jegliche Orientierung nahm die erstbeste Abbiegung, die mir am besten
gefiel. Eigentlich war diese Aussage dreist gelogen, da jeder Gang einfach nur
gleich aussah und die überwucherten Gänge, die wahrscheinlich viel zu lange
nicht gepflegt worden waren und bei der jegliche Beschreibung unnötig gewesen
wäre, mich jetzt schon ankotzten.
Es vergingen Minuten, vielleicht auch Stunden. Die drückende Stille des viel zu
großen Irrgartens machte mir zu schaffen, denn ich konnte mir zu diesem
Zeitpunkt nicht einfach mehr einreden, dass das hier nicht real war. Bei Connis
Verfolgung hatte mich irgendetwas am Ärmel gepackt, was wie eine Ranke aussah,
jedoch ich war viel zu konzentriert, Conni nicht zu verlieren, als dass es mich
groß interessiert hätte und ich habe es einfach als Dornenbusch abgetan, der
sich an meiner Kleidung verheddert hatte. Ich betrachtete den Einriss an meinem
Hemd und beschloss, in Zukunft mehr auf der Hut zu sein, doch wie all meine
Vorsätze verflog auch dieser innerhalb der nächsten Minuten.
Als ich mit zunehmendem Unmut durch die mir so endlos vorkommenden Gänge
bewegte, beschlich mich schon wieder das Gefühl, dass ich nicht allein bin.
Doch dieses Mal ließ dieses Etwas nicht auf sich warten. Mit Schlurfgeräuschen
und einem leisen Stöhnen näherte sich ein Umriss aus der Dunkelheit. Sofort
gepackt von der Angst um mein eigenes Überleben flüchtete ich in den nächsten
Gang.
» Jetzt ist es aus und vorbei «, dachte
ich. Weder Conni, noch jemand anderes war hier, um diesem Etwas, das sich, wie
ich nur allzu gut hören konnte, sich langsam meiner Position näherte, zusammen
mit mir den Garaus zu machen. Diese Idee hätte sich wahrscheinlich sowieso als
totaler Reinfall herausgestellt, der Größe und Figur dieses Umrisses nach zu
urteilen. Es gab ein immer lauter werdendes Stöhnen von sich und mich ergriff
pure Panik.
Da ich wie jeder vernünftig denkende Mensch am Leben bleiben wollte und nicht
scharf auf eine Konfrontation mit der unbekannten Monstrosität war, nutzte ich
meinen ansteigenden Adrenalinspiegel und nahm ohne nachzudenken die Beine in
die Hand. Gerade rechtzeitig, denn ich konnte den Umriss seines Kopfes, der
nach einigen Sekunden hinter der Ecke hervorragte, in dem immer schwächer
werdenden Licht des Mondes ausmachen, als ich mich kurz umdrehte. Teilweise
eingeschlagen, die Zunge heraushängend, starrten mich zwei blutunterlaufende
Augen mit durchdringendem, sicherlich todbringendem Blick an. Gezeichnet von
diesem Anblick beschleunigte meine Schritte und machte mich weiter auf den Weg
durch die grüne Hölle.
Plötzlich drang ein nur allzu bekanntes Geräusch an meine Ohren. Ich änderte
prompt meine Richtung, das Monster weit umgehend, da wo ich es vermutete und so
gut es in diesem Irrgarten ging und vernahm ein lauter werdendes Husten, das
sich anhörte, als würde gerade jemand verrecken. Dies konnte nur eins bedeuten:
Ich hatte jemanden aus der Jasra-Familie gefunden. Als ich mich dem Husten
näherte und um eine kahle Buschstelle bog, erkannte ich zwei Schatten, die von
einer kleinen Flamme auf die grüne Wand links vor mir geworfen wurde. Einer
davon kam mir sogar bekannt vor, denn es war der von Conni, der sich in den
Armen von jemand anderes befand. Durch das Husten hindurch rief ich seinen
Namen:
» Conni, bist du das? « Ich hörte nur
ein äußerst dreckiges Lachen, das nur von ihm stammen konnte.
» Jetzt beruhig dich doch mal Phil,
musst dich nicht gleich wie ein kleines Mädchen erschrecken, haha! «
» Du hast.. leicht reden… «, gab Phil
unter Röcheln von sich, während ich auf die kleine Lichtung zuraste, auf der
sich die beiden befanden. » Schleich dich gefälligst nicht von hinten ran, du
Arsch! «
» Hey Leute! «, rief ich den beiden zu,
als ich an sie herantrat. Sofort ließ Phil Conni fallen und kam auch auf mich
zu.
» Maddin, alte Keule! « Gemächlich
bewegte er sich in meine Richtung und wir tauschten brüderliche Küsse aus. Aus
den Augenwinkeln konnte ich Connis leicht eifersüchtiges Gesicht sehen, als er
sich vom Boden erhob. Ich drehte mich zu ihm.
» Warum bist du mit so rasender
Geschwindigkeit davongelaufen? Ich hatte dich innerhalb von Sekunden verloren!
«
» Als ich Phils Rülpser vernommen habe,
wusste ich, dass er war und ich konnte einfach nicht anders, als seinem Ruf zu
folgen! « Phil und er grinsten sich an. » Gut Leute, wir müssen irgendwie noch
die anderen finden. Was ist mit dir Phil, hast du schon jemandem gesehen? «
» Nee, ich bin hier einfach aufgewacht,
nachdem in der Eingangshalle alles dunkel wurde. Seitdem wandere ich in diesem
verdammten Irrgarten umher. Ich sag dir Mann, hier geht’s nicht mit rechten
Dingen zu, denn ich hab’n paar Sachen gesehen, die ich lieber ganz schnell
vergessen will. «
» Geht mir genauso «, entgegnete ich
ihm. » Aber wir sollten uns besser auf die Socken machen. « Phil, der sein
Sturmfeuerzeug immer am Mann hatte, ging vor uns her, als wir uns weiter auf
dem Weg durch diesen verdammten Irrgarten machten. Nach gefühlt stundenlangem
planlosem Herumwandern bemerkten wir nicht, dass wir uns langsam dem Zentrum
des Labyrinths näherten. Mit einem Mal bemerkte ich, wie das Licht an der
Spitze unserer Truppe verlosch. » Was ist los? «, fragte ich besorgt nach
vorne.
» Das Gas vom Feuerzeug ist alle, jetzt
haben wir kein Licht mehr «, informierte uns Phil. Wir rückten näher zusammen.
Auf einmal spürte ich, wie mir ohne Vorwarnung jemand von hinten einen Klapser
auf den Allerwertesten gab.
» Phil komm schon, nur weil wir jetzt
dicht aneinander stehen, musst du nicht gleich handgreiflich werden.. «,
flüsterte ich zu Phil, der mich, nun links halb hinter mir stehend, auf meine
Beschuldigung hin böse anstarrte.
» Was laberst du Digga, ich war das
nicht! «, gab Phil entgeistert, die Lautstärke aber nicht hebend, zurück. Ich
gucke Conni an, und auch er schüttelte den Kopf. Daraufhin starrten wir uns
alle gegenseitig für ein paar Sekunden an. Die Situation auf einmal begreifend,
liefen wir unter Geschrei und ohne Plan los. Wir mussten nicht weit rennen,
denn schon nach einer Biegung standen wir drei auf einmal in einer großen
Lichtung, die unschwer erkennbar das Zentrum des Labyrinths bilden musste.
Neben einer kleinen Holzhütte, die wahrscheinlich dem längst verstorbenen
Gärtner dieses ungepflegten Gartens gehörte und die am Rand dieser runden,
ungewöhnlich schönen, vollendeten Mitte dieses Horrorlabyrinths stand,
entdeckten wir auch einen riesigen, dornigen Rosenbusch, der in der Mitte der
zusammengeführten Wege stand. Dieser erstreckte sich mit seinen knorrigen
Wurzeln bis in jede Ecke der Lichtung und sah seltsam, wie der Rest der
Lichtung, schön und gleichzeitig gefährlich aus. Sonst ließ sich nur wenig
erkennen, da der Abend schon fortgeschritten war und wir nichts außer dem Licht
des Mondes und der Sterne hatte. Dieses Gesamtbildbild, das so unglaublich
wirkte, als würde es aus einem Bilderbuch stammen, wurde durch das Schönste von
allen Dingen vollendet: Den vollen, prächtigen und weinroten Rosen, die den
großen Dornenbusch verzierten.
Schon längst die Furcht und Aufregung vergessend, die mich im vorigen Moment
noch gepackt hatten, wandelte ich wie träumend auf die Mitte der Lichtung zu.
Ich hörte nicht einmal, nein ignorierte sogar die Warnungen der Anderen, die am
Rand der Lichtung stehen geblieben waren und wanderte wie in Trance auf die
Rosen zu. Als ich mich hinkniete, um die Rosen näher zu betrachten, hatte ich
schon längst alles um mich herum vergessen. Solch vollkommene Schönheit an
einem Ort wie diesem war ein wahres Wunder. Alles was ich zuvor gesehen hatte,
sogar die groteske Monstrosität schienen wie ein längst vergangener Traum, wenn
ich die Rosen anstarrte. Geblendet von dieser Schönheit bemerkte ich viel zu
spät, was los war. Ich spürte auf einmal einen stechenden Schmerz im Bein und
ehe ich wieder zu klarem Verstand kam, wurde ich mit einem Ruck von den Füßen
gerissen. Ich war dem Monster direkt in die Falle getappt. Als ich kopfüber an
den Ranken hing, dämmerte es mir so langsam. Dieselben Ranken hatten mich am
Eingang erwischt und mir einen Poklapser verpasst.
Ich hielt nach Conni und Phil Ausschau. So gut es eben ging, versuchte ich
meinen Oberkörper zu drehen und erspähte beide immer noch am Rand der Lichtung
stehend. Sie schauten mit aufgerissenen Mündern zu mir hoch.
» LEUTE! HILFE! «, schrie ich
fieberhaft in ihre Richtung, woraufhin ich laut unter Schmerzen aufstöhnen
musste. Die Dornen bohrten sich tiefer durch meine Kleidung in mein Bein. Conni
war der erste von beiden, der zu sich kam, drehte sich zu Phil um und verpasste
ihm eine saftige Schelle. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, da die
Ranken auf einmal anfingen, mich wild herumzuschleudern. Ich fühlte mich, als
würde ich mich jeden Moment übergeben. Ich konnte nur noch erkennen, wie Phil
in Richtung Holzhütte hechtete, während Conni die Pflanze auf sich aufmerksam
machte.
» Eat shit, du dumme, übergroße
Topfpflanze! «, rief er ihr zu. Die Ablenkung musste funktioniert haben, denn
die aggressive Topfpflanze fing an, ihre Ranken aus dem Boden herauszubrechen
und diese langsam aber sicher in Connis Richtung zu lenken. Dieser konnte den
Ranken für geraume Zeit ausweichen, doch dann war es selbst für ihn zu spät.
Ich hörte nur ein lautes » AMENAKOI! LASS MICH LOS! «, und musste ansehen, wie
auch er von seinen Füßen an hochgehoben wurde. Connis Ablenkung hatte aber
seinen Zweck nicht verfehlt; Phil, der die Tür zu der Holzhütte aufgebrochen
hatte und nun, wie ich aus den Augenwinkeln sehen konnte, einen Benzinkanister
zum Vorschein gebracht hatte, lief auf die Mitte der Lichtung in Richtung
Dornenbusch zu, der das Zentrum allen Übels war. Er leerte den Kanister prompt
über dem Busch aus, kramte sein Sturmfeuerzeug hervor und machte sich daran,
sein Vorhaben, das in der Verbrennung der Horrorpflanze bestand, auszuführen.
» Scheiße, geh an, du Mistding! Warum
lässt du mich jetzt im Stich? «, schrie Phil sein Feuerzeug voller Verzweiflung
an, während er mehrere Male hektisch versuchte, dieses zum Laufen zu bringen.
Als ich mit wachsender Furcht zusehen musste, wie die Ranken nun auch Phils
Füße umschlossen, war ich mir sicher, dass dies das Ende sein musste…
Gerade als auch Phil von der Ranke in die Höhe gerissen wurde, konnte er das
Feuerzeug ein letztes Mal an ratschen und es flog mit einer kleinen, jedoch
klar zu erkennenden Flamme in den Rosenbusch. Die Pflanze gab daraufhin ein
ohrenbetäubendes, grässliches Schreien von sich, das nicht von dieser Welt
schien. Ich hielt mir die Ohren zu, in der Hoffnung, dass mein Trommelfell
nicht platzte. Der Feuerball, der die ganze Lichtung erhellte, verschling den
kompletten Dornenbusch und die Ranken verkrampften sich. Ich schrie auf, als
sich die Dornen noch ein Stück tiefer in mein Fleisch bohrten. Sofort darauf
lockerte sich der Griff der Ranken und wir sanken alle langsam zum Boden herab.
Die Ranke ließ nun komplett los und ich blieb eine Weile liegen, da sich das
Gras unglaublich kühl und angenehm anfühlte.
Auf einmal spürte ich Hände an meinen Schultern, die mich fest ergriffen. Voll
Furcht riss ich die Augen auf, nur um zu erkennen, dass es Phil war, der sich
nach meinem Befinden erkundigte.
» Alles in Ordnung «, versicherte ich
ihm. » Kümmere dich lieber um Conni. Er sieht so aus, als würde er am Kopf bluten.
«
» Das sind meine Haare, du Arschloch!
Meine Haare! Hast du ein Problem damit? «, schrie er mich empört an. Wir
mussten alle vor Lachen losprusten. Langsam richtete ich mich auf und rieb
vorsichtig mein Bein, in dem ich immer noch den stechenden Schmerz von den
Ranken fühlte. Phil, der bereits nach Conni gesehen hatte, half diesem auf und
wir schauten uns gemeinsam auf der Lichtung um. Der vorherige Zauber, den die
Lichtung umgeben hatte, war nun komplett verflogen und es war umso dunkler
geworden, da sich der Mond hinter Wolken versteckte. In der Dunkelheit erspähte
ich, als ich mich nach den Resten des Rosenbuschs umsah, um vielleicht noch
eine weinrote Rose als Souvenir mitnehmen zu können, eine Art Abgrund, der sich
genau dort aufgetan hatte, wo sich die verkohlten Überreste jenes Buschs
befanden. Ich gab den Anderen über meine Entdeckung Bescheid, wir näherten uns
vorsichtig dem Loch und spähten dem schwarzen Abgrund entgegen. Neugierig wie
ich war, versuchte ich meinen Blick in das Loch zu erweitern und rückte noch
ein Stück weiter an den Rand. Und ausgerechnet dann, als ich es am wenigstens
erwartet hatte, erspähte ich etwas, dass alles Vorangegangene in den Schatten
stellte und mir einen verdammt großen Schrecken einjagte. Das hässlichste, abscheulichste
aller Geschöpfe, die auf diesem Planeten je gelebt hatten: Ein Tausendfüßler.
Ich merkte noch, wie ich abrutschte und zog an Phils und Connis Schultern, die
jeweils neben mir standen. Durch den Ruck wurden ihre beiden Köpfe mit einem
lauten KLONG gegeneinander geschmettert und sie fielen zusammen mit mir in den
gähnenden, schwarzen Abgrund, der sich als Belüftungssystem für die unteren
Etagen herausstellen sollte. Wir rutschten unkontrolliert durch eine Art
Rohrbahn, bis wir alle drei, unterienander begraben, in einer Kammer endeten,
in der ich ein warmes, orangenes Licht vernahm. «, erzählte uns Martin.
» Heiliger Arschfick. Und euch geht’s allen
gut?! «, fragte ich Phil, Martin und Conni geschockt.
» Alles steif in er Hose, amena. Höhö.
«, prustete Conni.
» Jap. Nur hab ich jetzt kein Feuer
mehr. «, Phils Sorgen schienen wo ganz anders zu sein.
» Alles gut. Ein paar Piekser
abbekommen, aber das passt schon. « Ich war froh, dass alle wohlauf waren.
Bevor ich mir jedoch groß über Chris, Tessi und Finn machen konnte, knallte
einige Meter über uns eine Tür auf, zu der eine schmale Treppe rauf führte.
Heraus kamen tatsächlich Chris, Tessi und Finn.
» He, seht mal wer da oben ist! «,
sagte ich voller Freunde und deutete nach oben. Selten war ich so übermäßig
froh, die Familie gesund und munter beisammen zu sehen. Über meine Lippen legte
sich ein Lächeln und ich konnte Tessi lachen und Finn hören, wie er erleichtert
durchatmete. Die drei gingen schnellen Schrittes die Treppe herunter und setzten
sich zu uns.
» Ihr seht auch ganz schön mitgenommen
aus. Was ist mit euch passiert? «, fragte Nylo besorgt. Chris hustete kurz und
atmete dann tief durch.
» Alter. Ich hätte mich fast
eingestuhlt. Mir wärs fast das Hosenbein runtergelaufen und Finn hat nicht mal
nen Lappen dabei. Also zuallererst…
V. Chris Chaos
Ich sah mich im
Foyer um. Der Wind zog fürchterlich kalt hinter uns durch die offenen massiven
Flügeltüren in den Foyer hinein. Der Mondschein, der unsere Schatten lang den
Raum warf, erhellte die antik-rustikalen Schränke und Anrichten an der Wand vor
uns. In dieser war eine ebenso massive Flügeltür eingearbeitet. Türen in der
linken und rechten Wand deuteten weitere abzweigende Räume an. Zwei seitliche
gewundene Treppen, die sich mit der Höhe im Dunkeln verloren, führten scheinbar
in den ersten Stock.
Ohne Vorwarnung verschwand die vom Mond angestrahlte Fläche vor uns und mit
einem lauten ächzenden Geräusch knallte die massive Flügeltür hinter uns ins
Schloss.
Die Fülle des großen Raumes wich plötzlich einer beklemmenden Enge der
absoluten Schwärze. Ich hielt vor Schreck die Luft an und konnte Tessi und noch
wen anders schreien hören. Ich konnte einige einen Schritt nach vorne stolpern
hören.
» Alle bleiben zusammen, nicht bewegen!
«, hörte ich Jack rufen.
» Das ist eine Falle «, rief Steffen.
Ich merkte, wie mich jemand schubste und ich in Richtung der vor uns liegenden
Flügeltür taumelte.
» He! «, rief ich, und konnte nun nur
noch mehrere Stimmen schnell reden hören. Der ganze Raum erhallte plötzlich
eine Oktave höher und plötzlich erklangen dutzende Schritte gleichzeitig. Über
uns schlugen die Fenster auf und zu. Jedes Mal pfiff der Wind für wenige
Momente scharf hindurch und erhellte nun Fragmente der Treppe zum ersten Stock.
Nun rammte mich links und rechts etwas. Ich stürzte auf den eisig kalten Boden
und rappelte mich wieder auf. Ein ohrenbetäubendes Raunen ging durch die Halle.
Es war, als würden Güterzüge durch den Raum rattern.
Mit voller Wucht wurde ich nach vorne geschubst. Ich riss meine Hände
reflexartig nach vorne und stieß durch irgendetwas Schweres. Einmal drehte sich
alles um mich herum und ich flog rückwärts auf den Boden.
So plötzlich das Licht eben der Dunkelheit wich, so unerwartet wichen nun
unsere Schreie und Rufe der Stille. Es war als hätte jemand den Ton abgedreht.
Der ohrenbetäubende Lärm wich nun einer dumpfen Stille. Ich konnte mich nicht
orientieren, musste aber eigentlich gerade durch die massive Flügeltür gefallen
sein.
» Scheiße «, dachte ich, » Was passiert
hier nur? «. Hektisch durchkramte ich die Hosentasche meiner schwarzen Hose.
Ich konnte die kleine Streichholzschachtel erfühlen und holte sie heraus. Blind
fühlte ich nach, ob ich sie richtig herum hielt, und öffnete sie dann
vorsichtig. Das erste Streichholz brach mit einem ratschenden Geräusch ab. Das
zweite sprühte einen Funken, entzweite jedoch ebenso. Meine Hand zitterte. Der nächste Versuch
gelang. » Alle guten Dinge sind drei! «, dachte ich mir.
Ich befand mich in
einem kleinen Zimmer, das eher wie ein Flur geschnitten war. Ich hörte zwei
Schreie, drehte mich nach rechts um und erschrak zu Tode. Finn und Tessi
standen neben mir.
» OH GOTT «, schrie ich. Ich hatte sie
vor lauter Aufregung gar nicht gehört. Tessi stand in einer Abwehrstellung
hinter Finn, der schützend seinen Arm vor sein Gesicht gehoben hatte. » Ihr seid das «, seufzte ich erleichtert.
» Wie sind wir hierhergekommen? «,
fragte mich Finn.
» Ey, das war so gruselig «, sagte
Tessi und schüttelte sich kurz durch.
» Irgendetwas hatte mich durch etwas
geschubst «, sagte ich und musterte den Raum nun genauer. Die Wände waren
dunkelrot und mit vertikale Streifen verziert. Vor mir befand sich ein alter
durchgesessener Stuhl und eine Kommode, auf der eine alte hölzerne Tischuhr und
ein Kerzenständer mit einer alten verrauchten Kerze standen. Mit der rechten
Hand griff ich die Kerze und kippte sie gen Streichholz, das bereits zum
Drittel runtergebrannt war. Der Docht flackerte kurz und erhellte den Raum nun
ausreichend.
Rechts vor Tessi und Finn befand sich ein alter Kamin. Ich drehte mich um.
Hinter mir war nur die Wand – keine Flügeltür. Tessi musterte sie bereits
ebenfalls und klopfte sie ab.
» Wie ist das möglich? «, fragte sie.
» Wir sind doch scheinbar durch die
große Tür gestolpert? «, meinte Finn und musterte die Tapete. Sie war
gleichmäßig aufgetragen und wies keine Naht oder Überlappung auf. » Das haben
wir gleich «, sagte Finn und versuchte nun, die Tapete von unten abzureißen. Er
konnte jedoch auch dort keinen Rand finden und gab schließlich auf. Wir
schauten uns alle drei verdutzt an.
» Okay, das lässt sich irgendwie alles
erklären «, sagte Tessi. » Was haltet ihr davon, wenn wir erst mal hier wieder
rausgehen? «, fragte sie und wir nickten. Ich hielt den Kerzenständer vor mir
und schritt gemeinsam mit den beiden zur Tür am Ende des flurartigen Raumes.
Tessi schwang vor mir die Tür auf. Sie führte jedoch nicht in den Foyer.
» Könnt ihr euch das erklären? «,
fragte ich die beiden. Tessi murmelte vor mir. Hinter mir vernahm ich jedoch
kein Laut. Ich drehte mich um. Wo ist Finn geblieben? Hinter mir erstreckte
sich der längliche Raum – Finn war jedoch nicht zu sehen. Ich fasste während
des Umdrehens mit meiner Hand nach Tessi, um sie nicht auch noch zu verlieren.
Sie erschrak, als ich sie berührte, war jedoch ebenso erstaunt über sein
Verschwinden.
» Wo ist er hin? «, fragte sie mich.
Wir gingen zurück in den Raum, zogen die Tür hinter uns zu und musterten ihn.
Viel stand dort nicht drin. Wir verrückten die Möbel und inspizierten die
Decke, konnten jedoch keinen Geheimgang finden. » Das kann doch nicht sein «,
sagte Tessi zu mir.
» Er kann doch nicht einfach spurlos
verschwinden «, sagte ich und tippelte mit meinem rechten Fuß auf dem Boden.
Plötzlich bewegte sich der Boden lautlos unter unseren Füßen und wir fielen
mehrere Meter. Der Fall erstickte meinen Schrei und löschte meine Kerze.
Wir fielen weich.
Ich sah nach oben, doch die Klappe über uns hatte sich offensichtlich wieder
geschlossen. Anscheinend befanden wir uns in einem unterirdischen Gang, der
durch eine offene Stelle in der Decke in einer langgezogenen Mauernische schwach
ausgeleuchtet wurde.
» Finn schien hier auch runtergefallen
zu sein «, sagte Tessi, während ich mich dem schwach schimmernden bläulichen
Licht näherte. Die nackte Wand war zersetzt und von Roststellen übersät, die
sich von der Decke nach unten zogen. Scheinbar fiel der Mondschein durch zwei
Regengitter, die sich oben in der Mauernische jeweils etwas abgesetzt von einem
mittigen Ventilatoreinlass befanden.
Der langsam rotierende vom Rost gezeichnete Ventilator gab ein leicht
schneidendes Geräusch von sich und ließ den Mondschein auf der gegenüberliegenden
Wand tanzen. Der Gang strahlte eine latent unheimliche und bedrückende
Atmosphäre aus. Ich konnte durch die Regengitter den funkelnden Nachthimmel
sehen, der hingegen eine fast schützende Ruhe ausstrahlte.
Tessi stellte sich nun neben mich und schaute scheinbar ebenfalls gen
Nachthimmel.
Ich drehte mich um und erwartete irgendetwas Schockierendes, aber nichts
geschah. Der Gang verlor sich zu beiden Seiten in absolute Dunkelheit. Ich
brachte die Kerze mit einem Zündholz wieder zum Leuchten.
» Lass uns weiter «, sagte ich und
Tessi nickte. Der Boden war matschig und voller großer Pfützen. » In welche
Richtung gehen wir? «, fragte ich.
» Weiß nicht… «, sagte Tessi und
versuchte auf dem Boden Schuhspuren auszumachen. Ich schaute ebenfalls runter. »
Wenn das Finns Schuhabdrücke sind, dann ist er in diese Richtung gegangen «,
sagte Tessi.
» Hoffen wir, dass es seine sind… «,
sagte ich und wir schritten in die Dunkelheit.
Keine zehn Meter vor uns erblickten wir einen eisernen Türrahmen mit massiven
Scharnieren, in der sich scheinbar zuvor eine schwere Tür befunden hatte.
Wir schritten hindurch. Vor uns erstreckte sich scheinbar ein großer Raum –
vielleicht eine Halle. Unsere Schritte waren im Matsch kaum zu hören. Ich hielt
die Luft an. Von der Decke tropfte es weit entfernt. Die Kerze leuchtete links
große waagerecht befestigte Tanks am Boden an. An einem befand sich wohl einmal
ein abgebrochenes Ventil, das nun auf dem Boden lag. Ich hielt die Kerze etwas
höher und konnte über uns eine Decke mit massiven Holzbalken erahnen.
» Schh «, raunte Tessi mir zu und
deutete mit der Hand nach vorne. » Mach das Licht aus, mach das Licht aus «,
sagte sie fast lautlos. Ich fuhr mit meiner Hand über die Kerze, deren Flamme
sogleich erlosch.
Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Ich vernahm ein
schlurfendes Geräusch, das sich vor uns in weiter Ferne befand. Der Boden fiel
nach vorne leicht ab und wurde dann wieder waagerecht. Er war übersät mit Heu
und Mist. In der Ferne war die Luft leicht grünlich. Einige Momente später
konnte ich eine meterhohe Wand vor uns ausmachen, in der sich unten ein großes
offenes Schiebetor befand. Dadurch schimmerte der andere Teil der großen Halle
leicht grünlich hindurch. Scheinbar befanden sich in diesem Teil weitere Tanks
an den Seiten.
Wir schritten so leise wie möglich dem offenen Schiebetor entgegen, das sich
immer noch dutzende Meter vor uns befand. In einem schmalen Bogen näherten wir
uns der großen Öffnung halb von rechts. Auf halber Strecke spürte ich, wie mich
Tessi mit ihrem ausgestreckten Arm am Weitergehen hinderte. Wir hielten inne.
Das schlürfende Geräusch wurde plötzlich lauter.
Ich neigte meinen Oberkörper leicht links zur Seite, sodass ich durch das
einige Meter entfernte offene Schiebetor besser hindurchsehen konnte. Durch die
gräulich-grüne Luft schritt schlürfend ein Umriss, den ich auch nach einigen
Sekunden nicht einordnen konnte. Tessi zog mich nun an meinem rechten Ärmel und
wir versuchten lautlos zur Wand rechts von uns zu gehen. Ich konnte meinen Blick
nicht von der Öffnung lösen, durch die ich nun nur noch das Ende einiger Tanks
sah.
Mittlerweile hatte Tessi mit einem quietschenden Geräusch eine eiserne Tür in
der Wand rechts von uns geöffnet. Meine Augen weiteten sich, als das Quietschen
die Halle ausfüllte.
» Oh Gott schnell. «, flüsterte ich
Tessi zu. Jetzt war ich es, der unschuldige Jasras, in diesem Falle Tessi,
durch Türen schubste. » Schnell, die Tür zu. «, sagte ich und wir ertasteten
hinter uns die Tür, die wir sachte in den Türrahmen einrasten ließen.
» Seid ihr das? «, hörte ich leise eine
entfernte Stimme.
» Finn! «, raunten Tessi und ich
gleichzeitig. Ich entzündete ein weiteres Streichholz und damit wiederum die
Kerze. Finn saß vor einer eisernen senkrechten Treppe und stemmte sich sogleich
hoch.
» Oh Gott, endlich habe ich euch
wiedergefunden! «, flüsterte er.
» Das Gleiche können wir wohl auch nur
behaupten «, wisperte ich. Ich war unheimlich froh, dass wir drei uns
wiedergefunden haben.
» Mir fällt ein Stein vom Herzen «,
sagte Tessi und freute sich, dass Finn wohl auf war.
» Mensch, unverwüstlich, du alte Socke!
«, sagte ich und klopfte Finn ihm auf die Schulter.
» Ja, ich freu mich auch, dass es euch
gut geht. Jetzt lasst uns aber hier bloß raus «, sagte er und wir nickten.
Ich deutete auf die Treppe hinter Finn. Gemeinsam schritten wir so hoch. Den
Raum, in dem wir uns gerade befanden, konnte ich nicht ausmachen, aber ich
wollte jetzt auch nur so schnell wie möglich hier raus.
Oben angekommen gingen wir einen schmalen Steg mit eiserner Brüstung zu beiden
Seiten entlang, der sich scheinbar einige Meter über dem Boden befand und als
hängende Konstruktion mittels dicken Seilen an der Decke befestigt wurde. Am
Ende des Steges gingen wir auf eine Tür zu.
Finn rüttelte am Knauf und öffnete sie.
» Gott sei Dank, sie ist offen «, sagte
ich, während er sie öffnete. Durch den Spalt fiel warmes Licht hindurch. Wir
gingen schnell hindurch und zogen die Tür hinter uns zu.
» Da is sogar ein langer Riegel dran «,
sagte Finn und schob diesen beiseite, sodass die Tür nicht mehr geöffnet werden
konnte. Ich drehte gleichzeitig den innensteckenden Schlüssel um und atmete
erleichtert, wie die anderen auch, erst mal durch. » Alter, das war echt
gruselig. «, sagte Finn, » Da war so ein komisches Wesen, habt ihr das auch
gehört? «, fragte Finn uns.
» Wir haben es sogar gesehen. «, sagte
Tessi und ich schüttelte mich nur beim Gedanken daran.
» Ich will gar nicht wissen, was das
war «, sagte ich, » Ab jetzt fassen wir uns alle an unseren Ärmeln an …Nicht,
dass plötzlich wieder einer fehlt. «
» Gute Idee «, sagte Tessi und griff
jeweils einen Ärmel von Finn und einen von mir.
Ich sah mich um. Wir befanden uns in einem länglichen Korridor. Dessen
Wandfarbe war auch in einem Dunkelrot gehalten, hatte jedoch ein leicht anderes
Tapetenmuster, das viel mehr verziert war als längliche Streifen aufwies.
Vom Korridor gingen mehrere dunkle Holztüren ab. Zwischen jeder Tür befand sich
in einiger Entfernung eine entflammte Wandkerze, die ein gleichmäßig warmes
Licht verteilte. Wir befanden uns in der Mitte des Korridors, der circa 20
Meter lang war. Das linke Ende des Korridors war offen und führte scheinbar in
einen kleinen Vorraum, das rechte wies eine Tür auf.
» Okay, wir müssen hier irgendwie raus.
Ideen? «, fragte Tessi.
» Ich würde mal schätzen, dass der Gang
zum Vorraum am erfolgversprechendsten ist «, schlug Finn vor.
» Einverstanden «, sagte ich. Ein
kalter Windstoß kam uns von rechts entgegen. Mit einem Mal wurden die Kerzen ausgeblasen
und die Tür rechts knallte auf. Der Korridor wurde nun nur noch aus dem rechten
Raum angestrahlt. Ich schaute nach rechts und mir lief ein eisiger Schauer über
den Rücken. In einem prunkvoll ausgestatteten Zimmer saß jemand auf einer
Bettkante in einer napoleonischen Westenuniform. Der Kopf war vollständig von
einer rundlichen Maske mit einem Schweinsgesicht verdeckt, das die Wand
parallel von uns anstarrte. Eine Feuerquelle loderte aus irgendeiner Ecke
dieses Zimmers. Das Gesicht drehte sich langsam in unsere Richtung.
Wir schrien und liefen instinktiv in Richtung des Vorraums links von uns. Tessi
hielt sich an unseren Ärmeln fest. In meiner linken Hand hielt ich immer noch
den erloschenen Kerzenständer. Als wir im Vorraum ankamen, knallte hinter uns
eine Tür zu. Wir hielten nicht an und liefen weiter durch die größte der drei
Türen im Vorraum. Mit einem lauten Knall zogen wir sie hinter uns zu und
atmeten schwer.
Ich musterte den beleuchteten Raum. Scheinbar befanden wir uns in einer
Bibliothek. Vor den Wänden befanden sich durchgehend zweistöckige Bücherregale.
An jeder Zimmerseite befand sich jeweils eine Rollleiter vor den Regalen. Über uns hing ein großer Kronleuchter, der
die Bibliothek gleichmäßig ausleuchtete.
» Oh Gott… Was war das «, sagte ich mit
zitternder Stimme und Tessi und Finn waren gleichermaßen wie ich geschockt.
» Das war ja wie aus einem Horrorfilm «,
sagte Finn. Mir lief der Schauer kalt den Rücken runter.
» Okay, egal was jetzt passiert, als
allererstes zünde ich vorsichtshalber wieder die Kerze an «, sagte ich, doch
ehe ich das Streichholz herausziehen konnte, ging das Licht aus und mit einem
lauten Poltern schien eine Herde Pferde in Richtung Bibliothek zu reiten.
Die Luft wurde zerrissen von dem Getrampel. Finn zog uns beide durch den Raum.
Scheinbar hatte er zuvor noch eine Tür ausgemacht. Ich drehte mich um. Der
Boden bebte unter unseren Füßen. Hinter mir kippten die meterhohen Bücherregale
langsam nach vorne. Zig Bücher fielen nun langsam von oben herab. Mit einem Splittern
zerbarsten mehrere Regalbretter in den Regalen direkt vor und über uns. Die
Bücher drohten auf uns niederzuschlagen, doch wir konnten rechtzeitig die Tür
vor uns öffnen. Ich drehte den Knauf und wir stemmten uns gegen das Türblatt,
das ächzend brach. Hinter bäumte sich eine Staubwand auf, die durch die offene Tür
hereinschoss. Finn schob mit seinem Fuß die Tür in den Rahmen zurück.
Der Staub legte sich im relativ dunklen Raum über uns. Von irgendwoher fielen
einige orangene Lichtstrahlen herein, die durch den Staub gebrochen wurden. Wir
husteten minutenlang, ehe wir uns wieder berappeln konnten.
» Hey, still! «, prustete Tessi.
» Was ist denn? «, fragte Finn hustend.
» Hört ihr das? «, sagte Tessi. » Das…
das sind doch die anderen! «, sagte sie. Ich lauschte und hörte tatsächlich
Jack und Nylo reden und andere Jasras murmeln.
Wir befanden uns scheinbar in einem kleineren Raum. Mit einem Zischen entfachte
ich mein vorletztes Streichholz. Es war tatsächlich ein kleiner Raum, in dessen
Ecke eine kleine metallene Treppe nach oben führte. Wir schritten herauf und
öffneten eine kleine Tür, die mit einem knarrenden Geräusch langsam links von
uns gegen unsere Wand schwang.
Ein warmes Orange
strahlte uns aus einer größeren Kammer entgegen. Wir standen nun zu dritt an
der Türschwelle. Gut zwei Meter unter uns hatten sich Jack, Max, Maddin, Phil,
Conni, Nylo, Steffen und sogar Cosmo in der Mitte des Raumes versammelt. Alle
sahen gesund, jedoch leicht mitgenommen aus. Ich konnte in ihren Gesichtern
erkennen, dass sie zwar froh waren, beisammen zu sein, jedoch waren sie auch
irgendwie leicht bedrückt. «, erzählte uns Chris.
Ich klatschte mir
mit beiden Händen ins Gesicht.
» Großer Gott… Wir haben wohl alle
ziemlich viel Scheiße erlebt, was? «, sagte ich erstaunt zu allen.
» Bis auf Cosmo und Nylo, dies hier in
der Kammer miteinander getrieben haben. «, witzelte Steffen.
» Du Hurensohn! Wir waren da
bewusstlos! «, antwortete Nylo wieder wütend.
Ich stand nun auf
und klatschte in die Hände.
» Gut, Leute. Ich bin froh, dass wir
alle wieder zusammen sind. Wir sollten jetzt wirklich… wirklich raus hier. «
VI. Requiem des gebrochenen Herzens
Die einzige Tür,
die nach draußen zu führen schien, weil sie die einzige war, durch die niemand
von uns kam – war mit Holzbrettern versiegelt. Da wollte wohl jemand, dass wir
nicht hier raus kommen.
» Seht ihr das? «, ich zeigte auf die
verriegelte Tür.
» Auf geht’s, Jungs. «, Conni suchte
den Boden an einer der Ecken des Raumes ab, die ziemlich zugemüllt war mit
Kisten, alten Tüchern und was weiß ich noch. » Aha! Schaut mal. « Conni hielt
ein dünnes, verrostetes Metallrohr hoch. » Da sind noch ein paar von denen,
helft mal mit! Auf, amenakoi. « Conni wollte genauso schnell weg von hier wie
alle anderen. Phil, Finn und Chris griffen sich alle ein Metallrohr und
begannen sofort mit Wucht die Holzbretter von der Tür zu reißen. Nach wenigen Momenten
stand die Tür frei.
» Sauber! «, Martin war richtig froh
über das Ergebnis, obwohl er nur zugesehen hatte.
Wir schritten alle durch den kleinen Eingang, wo sich so ziemlich alle etwas
bücken mussten. Es war sehr dunkel, also schickten wir mit symbolischen
Handgesten Max nach vorne, damit er auch mit seinem magischen Leuchtwerkzeug
den Gang ausleuchten konnte.
Unglücklicherweise hatte der Gang einen leichten Fall und die schön tapezierten
Wände wichen nun vermoostem Stein. Um so tiefer wir kamen, umso unangenehmer
wurde der Geruch, der uns entgegenwehte. Ebenfalls hatte ich das Gefühl, dass
die Steinwände langsam nass wurden und der Boden eine unangenehm matschige
Textur bekam.
» Seid ihr sicher, dass wir hier
richtig sind? « Phil war sehr skeptisch. Tatsächlich breitete sich bei mich
eine ähnliche Skepsis aus.
Der enge Tunnel
führte nahtlos in einen unbeleuchteten Bereich, sicher zehn mal zehn Meter
groß, so wie mein Auge das abgeschätzt hatte. Jedoch die Decke sicher nur ein
Meter siebzig hoch. Es reichte, dass ich mich leicht bücken musste. Der Ort
strahlte im Gegensatz zur Villa kein Bisschen Eleganz aus. Dieser Ort hier war
einzig und allein heruntergekommen. Es war ein Drecksloch. Fast schon wie ein
altertümliches Gefängnis. Enge, nasse Steinwände, viele Steinsäulen in der
Mitte und ein Geruch, bei dem man fast kotzen hätte können. Als Max geradeaus
leuchtete, erschraken so ziemlich alle gleichzeitig, als er ein Skelett
beleuchtete.
» Was erschreckt ihr euch so? Als ob
wir nicht schlimmere Dinge bis jetzt gesehen haben. Außerdem ist in jedem von
uns ein Skelett drin! Höhö! « Max krankhafter Optimismus tat gerade tatsächlich
ziemlich gut.
Jetzt wurde mir aber schon sehr mulmig im Magen. Aber aus irgendeinem Grund
packte mich die Neugierde. Ich schritt leicht voran, bis ich erkannte, dass das
Skelett ein Kleid trug. Ich erkannte es! Es war das Kleid, was die elegante
Geisterdame trug, die so edel in der Luft tanzte.
» Hey, Max, Steffen. Erkennt ihr sie?
«, sagte ich in einer ruhigen Stimme. Die beiden kamen näher.
» Oh ja. Das war wohl die Dame des
Hauses, so wie sie dominant in der Mitte des Tanzsaales erschien. «, erklärte
Steffen. Max stimmte dem mit einem Nicken zu.
Ich ging etwas
näher hin und erkannte, dass um den Hals ein goldenes Amulett hing… welches von
einem Dolch durchstoßen war. Ich nahm es in die Hand und musterte es genau.
» Seht euch das mal an. Leute! « Ich
rief auch die anderen herbei. Chris bückte sich zu mir.
» Die wurde hier tatsächlich
abgestochen. «, sagte er in einem traurigen Ton.
» Davon hab ich tatsächlich gehört,
dass hier mal eine umgebracht wurde. Aber das war auch eher eine
Gruselgeschichte, die man Kindern erzählte. «, meinte Cosmo.
» Wohl doch nicht so ganz ne
Gruselgeschichte, was? «, Tessi klang sehr schockiert.
Der Dolch steckte ziemlich tief drin.
» Vielleicht sollten wir die Arme
endlich erlösen. « Ich dachte mir nicht viel dabei und zog den Dolch, der
ziemlich fest in dem Medaillon steckte mit einem Ruck raus, woraufhin der Dolch
in meinen Händen zu Staub zerfiel.
» Heilige Scheiße, guckt sie an! «,
rief Martin laut.
Nicht nur der Dolch, sondern die komplette Leiche inklusive Kleid zerfiel zu
Staub und schien wie im Wind zu verschwinden.
» … Frei… Danke… « hallte ein leises
Flüstern durch den Raum.
» S-Scheiße, habt ihr das gehört? «
Nylos Lippen bebten. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Epilog. Wolkenlose Nacht
Als ich aber meine
Augen wieder öffnete, sah ich nichts. Dunkelheit. Nicht schon wieder, dachte
ich! Doch bevor ich mich lange darüber aufregen konnte, wurde es auf einmal
wieder hell und ich sah den Rest der Gruppe neben mir sitzen. Langsam verstand
ich auch wo wir uns befanden. Wir befanden uns mitten auf einer Wiese und von
hier aus konnte ich auch die Straße sehen.
» Wo die verfickte Villa auf einmal
ist, hab ich gefragt. «, rief Finn leicht verwundert. Tatsächlich befanden wir
uns dort, wo einst die Villa war – nur ist davon nichts mehr übrig. Nicht
einmal ein Weg, der dorthin führte. Es war nichts. Als hätte sie nie existiert.
» Hab ich das jetzt geträumt, oder
waren wir wirklich in so ner verfickten Villa? «, fragte Nylo.
» Ne, das war ganz safe real. «, meinte
Conni.
» Ich denke.. wir haben den Fluch
gelöst, der auf der Villa lag. «, stellte Tessi fest. Ich sah in meine Hand –
dort befand sich immer noch das Amulett der Dame ohne Namen. Es war also
wirklich kein Traum.
» Leute, kennt ihr diesen
Hans-Entertainment-Moment, wenn ihr mit euren Bois einfach mitten in der Nacht
auf ner random Wiese chillt und dabei ausseht wie ein paar obdachlose
Betrunkene, obwohl ihr eigentlich bei Cosmo eine Halloweenfeier machen wolltet?
«, meinte Phil wieder ganz trocken. Ein paar dreckige Lacher kamen aus der
Reihe.
» Gott sei Dank ist mein Rucksack
wieder da! «, Cosmo zeigte erleichtert auf seinen Rucksack, der sich neben ihm
befand.
» Aber mein Feuerzeug ist weg verdammte
Scheiße! Das war teuer!! « Phil war sichtlich verärgert über seinen Verlust,
beruhigte sich aber wieder.
» Leute, ich bin froh, dass wir da alle
wieder heil rausgekommen sind. Das war wirklich ein Horrortrip. «, sagte ich zu
allen. Ich freute mich wirklich extrem alle froh und munter zu sehen.
» Lasst uns das nächste Mal einfach
nicht mehr bei Cosmo feiern, ok? «, meinte Nylo, dem das Ganze fast zu viel
war.
Ich stand nun auf
und zog meine Weste und meinen Hut zurecht und der Rest rappelte sich auch
langsam wieder auf. So endete unser Horrortrip in einer alten, verfluchten
Villa. Halloween war somit zwar sehr schreckhaft, aber ich glaubte, dass ich
für alle gesprochen hätte, wenn ich nur noch ein weiches Bettchen wollte.
» Cosmo? «
» Ja, Jack? «
» Was hältst du davon, wenn wir uns bei
dir jetzt einfach ganz entspannt in der Bettwäsche ausruhen? «
» Wenn du unbedingt willst. Ich würd
mich ja lieber direkt ins Bett legen, anstatt nur in den Überzug. «
ENDE