Prolog.
Auf den letzten Drücker
it einem kräftigen
Ruck riss ich meine Haustür auf. Ich warf einen panischen Blick auf die kleine
Uhr, die auf dem Tresen der Garderobe stand. Sie zeigte 23:55. I.
Wilder Ritt
hris drehte sich
zu mir. Ich streckte mich und
gähnte kurz. » Tja. Chris, wie wär‘s, wenn du weiter erzählst? Sag mal, was Cosmo
dann gemacht hat, das anstrengende Stück Scheiße. « II.
Stoff-Fetzen III.
Reißender Wind ährend ich zusah,
wie Chris sich sein Stück Christstollen in einem Stück in den Mund schob,
setzte Martin sich zu den anderen, die ihn bereits gespannt ansahen. » Es war der gute
Heinz Eggert. Schnell winkte Jack auch Chris und Cosmo heran, damit auch diese
den ungewöhnlichen Anblick bestaunen konnten. Nachdem wir uns alle im Taxi
eingefunden hatten, ich auf dem Beifahrersitz mit dem Geschenk auf dem Schoß,
platzte es aus Cosmo heraus. Wir stapften
wieder zurück auf die Landebahn und Daniel führte uns hinter seine Hütte. Er
brauchte geschlagene fünf Minuten, um den richtigen Schlüssel zu finden und den
Schuppen aufzuschließen. Zum Vorschein kam ein altes, vor Rost strotzendes und
sehr schlecht erhaltenes Flugzeug. Wir staunten aber aufgrund der Größe der
Maschine nicht schlecht. Er machte eine Handbewegung, dass wir ihm helfen
sollten die Maschine auf die Landebahn zu schieben. Unter Ächzen schoben wir
das schwere Ding auf die Bahn und unser bärtige Freund machte sich daran,
einzusteigen, wobei er sich fast mit dem Gesicht voran ablegte. Als wir dann
alle inklusive Riesengeschenk auf der Rückbank des doch geräumigen Flugzeugs
saßen versicherte sich Daniel noch einmal: Epilog.
Hereingeschneites Weihnachtsfest Ich drehte mich zu
allen.
» Jack?! «, hörte ich Nylo rufen.
» Da sind wir, ihr Wich… netten
Menschen! « Chris hatte wieder einen gewissen Wahnsinn in den Augen und fing
manisch an zu lachen.
» Frooohe Gexnachten! Höhö.«, rief
Cosmo voller Freude.
» Was, echt? Ich dachte heut ist
Weihnachten. «, sagte Max in einem Ton, bei dem man wieder nicht heraushören
konnte, ob es Sarkasmus war oder nicht.
» Guten Abend und ein super duper
fröhliches Weihnachten an alle! «, rief Martin hinter mir durch den Gang.
» Wir sind da – wer nooch? «, rief ich
hinterher, damit ich auch irgendwas sagte.
Martin, Chris, Cosmo und ich standen schnaufend in der Tür. Ein kalter Wind zog
an uns vorbei und wehte Schnee in den Flur hinein. Martin setzte das
mitgenommene, riesige Geschenk ab, was er bei sich trug und klopfte sich stolz
in die Hände. Chris, dem wohl schon kalt wurde, schloss die Tür hinter uns.
So langsam kamen alle aus dem Wohnzimmer heraus und sahen uns recht verwundert
an.
» Mensch, da seid ihr ja richtig früh
dran, ihr Splasher. «, rief Finn und versuchte dabei genervt zu klingen. Man
sah ihm aber an, dass er sich trotzdem freute, uns zu sehen.
» Wir dachten schon fast, ihr schafft
das nicht mehr oder verreckt irgendwo in der Wildnis von Heela, ihr Arschnasen!
«, schnauzte Tessi uns besorgt an. Ein Rülpser tönte aus der Toilette, gefolgt
von Conni, der die Tür öffnete.
» Ach, ihr seid ja auch da, hah!
Amenakoi. «
» W-Wat? Cosmo? Wieso trägst du
Lippenstift?! « Nylo sah sehr geschockt aus.
» Junge, wieso fehlt dein rechtes
Hosenbein. Was geht da ab, Chris. «, fragte Finn ihn.
Ich ging in Richtung Wohnzimmer und machte eine Geste, dass mir der Rest folgen
sollte.
» Lange Geschichte, Leute. Viel zu
abgefahrene Geschichte. « Der Kamin war schon an und die Wärme tat tatsächlich
richtig gut. Ich warf mich auf einen freien Sessel und lies mich erstmal
einsacken. Der Rest der Familie gesellte sich zu mir. Es waren so viele
gekommen! Nylo, Phil, Steffen, Conni, Max, Finn, Tessi und sogar Birf, die
geile Sau!
» Was hat das denn jetzt so lange
gedauert? Hat euch euer Zuhälter nicht früher vom Strich gehen lassen? «,
witzelte Phil.
» Tjahaha. Da sagst du was. « Ich
räusperte mich. » Also… es lief so ab.
» Jack?! Meinst du meine Pisse würde
direkt einfrieren, wenn ich hier jetzt hinstruller? « Eine alte Frau, die auch hier am Bahnhof von
Skrattadamm stand, sah ihn sehr verstört an. Chris, wie gewohnt, achtete wenig
bis gar nicht auf die Reaktion anderer Menschen in der Öffentlichkeit.
» Da bin ich mir nicht sicher, aber
ziemlich sicher ist, dass die dich wohl direkt einbuchten, wenn du hier in
aller Öffentlichkeit den Lümmel aus der Hose nimmst. «, sagte ich trocken.
Chris fing an laut zu lachen. » Ich mag die Ortschaft hier. Hier ist alles so
ruhig und ländlich. Es wirkt alles so familiär! Sogar noch familiärer als New
Andora. Zwar nicht so familiär wie Silvercoast Island, aber hier würd ich wohl
auch wohnen, hätte ich nicht schon ein teures, von erbeutetem, antiken Gold
finanziertes Haus auf einer Trauminsel. «, fügte ich hinzu und wechselte somit
abrupt das Thema.
» Erinner mich bloß nicht an New
Andora, Jack. Ich krieg immer noch Panikattacken, wenn ich Rosenbüsche sehe. «,
antwortete mir Martin, und legte das riesige Geschenk ab, was er die ganze Zeit
vor sich hielt. Er sagte uns nur, dass alle staunen würden und dass das für
alle ist zur Bescherung. Groß machte ich mir darüber keine Gedanken mehr, da
mich das unruhige Schneewetter zu sehr damit beschäftigte, meine Körperwärme
bei mir zu halten.
Wir waren gestern Abend zu Martin gefahren. Einerseits um ihn einfach mal zu
besuchen, weil wir tatsächlich noch nie bei ihm waren – und andererseits um ihn
mit zur Weihnachtsfeier zu nehmen, die heute, am 24. Dezember, in meinem Haus
auf Silvercoast Island stattfinden sollte. Unser Zug von Skrattadam nach Heela sollte
in wenigen Minuten ankommen. Diese wenigen Minuten kamen mir aber langsam wie
Stunden vor – gerade, weil das Wetter im Moment nicht wirklich unser Freund
war. Es war eisig kalt und ein beißender Wind peitschte uns Schnee ins Gesicht.
Da half es auch nicht, dass der Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr ein Ticken
schneller ging und dann fünf Sekunden auf der vollen Minute wartete um den
Eindruck zu erwecken, dass die Zeit schneller verginge. Da ich das aber leider
bemerkte, wirkte das bei mir auch nicht mehr.
Martin spielte bereits unruhig an seiner Armbanduhr rum. Nach nur kurzer Zeit
konnte man schon das entfernte Dampfen und Rauschen unseres Rückfahrtsgefährtes
vernehmen. Fast zeitgleich drehten wir uns alle in die Richtung des Geräusches.
Ein eisiger Wind wehte an uns vorbei und der Zug hielt mit einem lauten Zischen
an. Die Türen gingen automatisch mit einem lauten Geräusch auf und als erstes
kam ein Schaffner herausgehuscht, der unzufrieden mit seiner Nase runzelte. Er
sah eindeutig so aus, als ob er es kaum erwarten konnte wieder in den Zug zu
steigen.
Martin ging zielsicher auf einen Wagon zu – und obwohl er sehr vertraut mit der
Gegend hier war, und mit einer Gangart dort hinging, die suggerierte, dass es
in diesem Wagon sicher bessere Plätze geben müsste – wurde ich das Gefühl nicht
los, dass da kein Sinn dahinter steckte und er willkürlich auf irgendeinen
Wagon zulief. Aber was weiß ich schon von Zügen, dachte ich. Von Silvercoast
Island aus fuhr bis jetzt auch noch kein Zug ab. Ich lachte und musste für
Außenstehende super dumm aussehen, da ich wieder über meinen eigenen Spruch
lachte, den ich mir nur in Gedanken sagte.
Chris und ich folgten Martin wortlos und zu dritt stiegen wir die kleinen
Treppen hinauf in den Wagon. Hier im Zug herrschte eine ganz andere Temperatur
als draußen – und das war tatsächlich das erste, was mir direkt so auffiel und
nebenbei gesagt auch super glücklich machte. Wir quetschten uns durch die Gänge
und suchten einen leeren Platz, wo wir uns genüsslich zu viert gesellen
könnten. Das war tatsächlich keine schwere Aufgabe, da der Zug fast leer war.
Zu Heiligabend fuhren wohl nur die wenigsten Leute mit dem Zug. Die wenigen
Leute, die ich aus dem Augenwinkel heraus betrachten konnte, wirkten eher wie
Obdachlose, oder Feiernde der letzten Nacht, die noch nicht aus dem Suff
aufgewacht waren.
Martin warf sich an einen Fensterplatz, Chris setzte sich wortlos daneben und
schnaufte. Ich setzte mich gegenüber von Martin ebenfalls ans Fenster. Ich saß
immer lieber am Fenster und betrachtete während der Fahrt unheimlich gerne die
Landschaft, die an einem vorbeizog.
Als ich so verträumt durchs Fenster sah, merkte ich, dass die Aussicht gar
nicht so geil war. Unter dem Vordach am Bahnhof bekamen wir, wahrscheinlich
glücklicherweise, nur sehr wenig von dem Schnee mit, der sich überall
breitmachte. Das Wetter entwickelte sich ganz langsam von einem ungemütlichen
Schneeschauer zu einem richtigen Schneesturm und so langsam kam die Angst auf,
dass wir es nicht rechtzeitig nach Hause schaffen würden, sollten wir in so
einem Wetter fest sitzen. Und erst jetzt blühte es mir, dass es vielleicht –
mal wieder – keine so gute Idee war, auf dem letzten Drücker vor Weihnachten
irgendwelche Dinge zu tun.
Martin streckte sich und gähnte.
» Hach ja, was für ein Leben. Stellt
euch vor wir wären jetzt im Mittelalter. Dann hätten wir entweder laufen oder
ne Kutsche nehmen müssen! « Chris sah ihn skeptisch an.
» Maddin, wenn wir im Mittelalter
wären, könnten wir uns nicht mal ne Kutsche leisten. Außerdem wären wir wohl eh
schon an Altersschwäche oder an der Pest gestorben. « Chris Direktheit
amüsierte mich wieder sehr. Ich seufzte und lehnte mich mit der Wange an das
Fenster. Jedoch zog ich mein Gesicht wieder ruckartig zurück, nachdem ich
spürte, dass die Scheibe super kalt war. Mich überkam eine leichte Müdigkeit,
da wir bei Martin tatsächlich nicht viel Schlaf bekamen. Aber na ja, so ist das
halt, wenn man irgendwie bei einem Freund schläft und die Gespräche sich dann
tief in die Nacht ziehen und man nicht schlafen kann, weil dann plötzlich ganz
triviale Themen wie die richtige Einhängrichtung des Klopapiers ein feuriges
Thema ergaben. Aber so schlimm war das nun auch nicht, dachte ich. Es hätte ja
wesentlich schlimmer kommen können. Und das war es dann doch wert. Der Gedanke,
dass heute Weihnachten war, vertrieb aber jeden negativen Gedanken der
Müdigkeit. Man konnte Weihnachten beinahe schon riechen! Ich machte einen
tiefen Atemzug und wollte die Essenz von Weihnachten direkt in mich aufnehmen.
Unglücklicherweise vernahm ich nur den Geruch von abgestandenem Bier. Ich
runzelte die Stirn und seufzte.
Chris bückte sich über den kleinen Tisch und ging ganz nah an mich ran.
» Wuuuuurst. « Ich erschrak kurz, weil
er mich aus der Ruhe riss.
» Chris, du Fickfresse. Merkst du
nicht, dass ich noch nicht ganz wach bin. « Chris lachte nur. Ich blickte
wieder aus dem Fenster, an dem mittlerweile die Landschaft an mir vorbeizog –
und zu meiner Aufmunterung wurde das Wetter tatsächlich besser und einige blaue
Flecken ließen sich am Himmel erkennen. Der Zug hielt an – die Haltestelle
konnte ich jedoch gerade nicht erkennen. Nach einigen Momenten bekam ich ein
unglaublich unheimliches Gefühl, weil ich spürte, wie jemand bei uns am Gang
stand – so als ob er sich zu mir setzen wollte. Mit einem unzufriedenen
Gesichtsausdruck blickte ich auf.
» Hallöchen Leute! Ihr seht ja super
wach aus! « Meine schlechte Laune verflog mit einem Schlag! Es war Cosmo!
Diesmal erschrak Chris, der ihn gar nicht kommen sah.
» Cosmo du olle Sau! Setz dich! «, rief
er anschließend. Auch Martin klatschte freudig in die Hände und wies einladend
auf den leeren Platz neben mir. Erst jetzt kam mir in den Sinn, dass Cosmo ja
im Zug zusteigen wollte um uns dann auch gleich etwas Gesellschaft zu leisten.
Tatsächlich freute ich mich gerade unheimlich, dass neben mir Cosmo saß und
keine Betrunkener, dem das ranzige Bier noch im Bart hing.
» Mensch, Leute. Ich bin richtig froh,
dass wir wieder bei euch feiern. « Chris und Martin lachten gezwungen – weil
jeder wohl noch etwas geschockt von Halloween war. Ich sah Cosmo das letzte Mal
tatsächlich zu Halloween. » Und, dass
Nylo nicht hier ist, der dann wieder in irgendwelche fremde Häuser reinläuft
und ich hinterher muss. « Cosmo grinste, hörte aber auf, als er Martins
riesiges Geschenk erblickte. » Oha. Was ist da denn drin? «, fragte Cosmo
neugierig und deutete auf den glitzernd verpackten Karton. » Ein Kilo
Elefantenscheiße? « Chris brüllte los vor Lachen.
» Das hab ich ihn auch gefragt! «,
bemerkte Chris und freute sich wohl innerlich, dass Cosmo auf dem gleichen,
dummen Niveau war wie wir.
Martin grinste und guckte uns alle nacheinander mit einer langsamen, nickenden
Kopfbewegung äußerst stolz an.
» Das werdet ihr noch sehen, meine
Besten! «
Mit einem lauten, ächzenden Geräusch drückte es mich mit aller Gewalt in den
Sitz hinein! Cosmo schrie neben mir auf, konnte jedoch die Arme nicht
rechtzeitig genug heben. Das Geschenk von Martin flog ihm direkt in die Fresse.
Chris, der davor zu einem weiteren, geflüsterten „Wurst“ ansetzte, machte einen
Satz nach vorne und lag quer über mir. Der ganze Wagon schrie auf, als der Zug lautstark
eine Vollbremsung machte!
» Wir bitten um Verzeihung. Wegen
einigen technischen Schwierigkeiten ist unser Zug defekt. Bei unserer
derzeitigen Position müssen wir damit rechnen, dass Hilfe erst in zwei bis drei
Stunden mit dem richtigen Werkzeug ankommt. Wir entschuldigen uns für die
Umstände und bitten Sie um Geduld. Unser Personal wird Sie kostenfrei mit Essen
und Trinken versorgen. Vielen Dank für Ihr Verständnis. «, tönte es krächzend
aus dem Lautsprecher.
» Was?! Zwei bis drei Stunden?! Jetzt
hackt es gleich! «, schrie Cosmo entsetzt, der gerade eben das Geschenk von
Martin aus seinem Gesicht zog. «
Chris, der sich wieder aufrichtete und sich schnell wieder auf seinen Platz
setzte, damit es nicht zu sehr nach einer homoerotischen Szene aussah, rückte
seine Kleidung zurecht und holte dann tief Luft.
» Dann entspannen wir uns eben bei
gutem Essen, oder? Vielleicht haben die ja sogar Apfelströöl oder… oder Crêpes!
« Chris hatte plötzlich ein Funkeln im Auge.
» Crêpes?! Chris, du kannst froh sein,
wenn die dir ne Tüte Erdnüsse geben. «, meinte Martin.
» Was, keine Crêpes?! Ich will mein
Geld zurück! Wo sind meine Crêpes!! «, schrie Chris ganz laut und erregte
wieder die Aufmerksamkeit von fremden Menschen.
Cosmo jedoch murmelte wütend vor sich hin und stand dann auf.
» Leute ich bin nicht extra zu euch in
den Zug, damit wir hier rumgammeln! Kommt, wir gehen, damit wir es noch
rechtzeitig nach Hause schaffen! «, meinte er und stürmte auf eine der Türen
zu. Bevor wir irgendetwas sagen konnten, öffnete er die Tür und stieg aus.
Unschlüssig und geschockt sah ich Chris und Martin an. So hatte ich mir
Weihnachten gerade nicht vorgestellt.
» Na gut, Leute. Hinterher. « Scheiß
drauf, dachte ich. Martin nahm sein Geschenk, bei dem man noch deutlich den
Gesichtsabdruck von Cosmo sehen konnte und stand auf. Zu dritt verließen wir
den Zug und stapften im Schnee Cosmo hinterher.
Schnaufend rannten wir ihm hinterher, bis wir langsam aufholten.
» Cosmo, weißt du überhaupt in welche
Richtung wir müssen?! «, fragte ich ihn bestürzt. Cosmo nickte fachkundig und
zeigte in eine Himmelsrichtung.
» Da. «, sagte er sicher. » Oder.. da?
Ne, da ist gut. « So langsam war ich mir sicher, dass wir einfach hier irgendwo
im Schnee verrecken oder irgendein Bär uns frisst. Ich zuckte mit den Schultern
und ließ das Schicksal einfach auf mich zu kommen.
Wir stapften gefühlt eine Stunde durch den Kniehohen Schnee, bis Cosmo anhielt.
» Was ist los, Cosmo? Musst du mal
kacken? «, fragte Chris.
» Nee. Ich fäll nen Baum! « Jetzt
wusste ich nicht, ob Cosmo das ernst meinte, oder ob der Frost schon sein Hirn
erreichte. » Seht euch diesen Baum an! Wär der nicht perfekt für Silvercoast
Island? «, meinte er mit einer krankhaften Fröhlichkeit. Martin luscherte über
sein Geschenk hinweg.
» Genau! Wir haben ja sonst nix zu
tragen. Vielleicht fragen wir den Baum einfach nett, ob er von selbst
mitkommt?! «, rief Martin schwer atmend über sein Riesenpaket hinweg.
» Aber Cosmo, wir haben schon einen
schönen Baum bei uns. Jetzt lass uns weitergehen, bevor wir wirklich zu spät
ankommen! «, kommandierte ich und scheuchte ihn mit den Händen weiter. Ich weiß
nicht wie viel Zeit tatsächlich vergangen war, aber nach einer gefühlten,
halben Ewigkeit meinte ich Geräusche aus der Entfernung zu hören.
» Jack, wieso hältst du jetzt an? «,
fragte Chris schon beinahe genervt.
» Hört mal. Also entweder geht von
einem von uns die Luft aus oder das sind tatsächlich Autos in der Ferne. Hört
ihr das? Aus der Richtung! « Ich zeigte mit dem Finger in die Richtung, von der
die Geräusche kamen. Alle spitzten die Ohren und hielten einen Moment inne.
» Tatsache. Jack hat recht. « Chris
freute sich sicher, dass er das als Erster bestätigen konnte. Deshalb nickte er
wohl so grinsend. Plötzlich fuhr wieder das Leben in uns und wir schritten eine
Weile in die Richtung, bis wir an einer höher gelegenen Stelle kamen, von der
aus man ein wunderschönes, lauschiges Dörfchen entdeckte. Der Anblick – gepaart
mit den Sonnenstrahlen, die sanft über die Wolken hereinbrachen – war
unglaublich malerisch.
» Seht euch das mal an. Jetzt müssen
wir doch nicht verrecken. «, meinte Cosmo – die Arme an der Hüfte. » Ist das
nicht wundervoll Chris? « Chris nickte bestätigend. » Endlich Zivilisation,
nicht wahr Jack? « Cosmo schien gerade jeden nacheinander anzusprechen.
» Jap. Wundervoll. So eine Szene könnte
ich mir direkt an die Wand hängen. «, antwortete ich ihm.
» Jetzt sind wir da, was Martin? «
Martin gab jedoch keine Antwort und starrte katatonisch nach vorne.
» Martin sieht sich das später an. Ich
denke, seine Augen sind zugefroren. «, sprach ich an Martins Stelle. Maddin
jedoch schüttelte sich, legte dann wohl zur Entspannung sein Geschenk ab, indem
er es einfach auf den Boden fallen ließ. So im Nachhinein war das absolut keine
gute Idee, denn der Aufprall des Geschenkes löste die Schneefläche, auf der wir
standen und jagte uns von einem auf den anderen Moment den Abhang hinunter,
während wir erschrocken schrien. Alles drehte sich und bewegte sich! Als die
Bewegung mit einem Ruck aufhörte und ich nur noch Schnee sah, sprang ich auf
und spuckte. Es war doch kein so geiles Gefühl, Schnee im Mund und in der Nase
zu haben. Nach und nach explodierten Schneehaufen aus dem sich wie ein wildes
Tier schüttelnd und schreiend Personen erschienen, die ich als Chris, Martin
und Cosmo identifizieren konnte.
Wir landeten ziemlich nah an einer Straße, an der ein sehr alt, aber edel
wirkendes Auto anhielt. Ein ebenfalls sehr alt wirkender Mann schraubte das
Fenster hinab und sah raus.
» Frohe Weihnachten! Die Herren sehen
sehr verwirrt aus. Wo wollen Sie denn hin? «, fragte er recht freundlich.
Ich klopfte mir den Schnee aus der Jacke und dem Schal und sah anschließend den
Mann im Oldtimer an.
» Ihnen auch frohe Weihnachten! Ehm,
naja. « Ich hustete kurz. » Wir wollen eigentlich nach Silvercoast Island.
Unser Zug hatte nämlich einen Defekt und dann sind wir aus dem Wald heraus
hierher gelaufen. « Der Mann lachte.
» Wenn Sie wollen, würde ich Sie nach
Heela mitnehmen! Steigen Sie ein! «, die einladende Freundlichkeit des Herren
überraschte mich positiv.
» Wie lange fahren wir denn von hier
nach Heela? «, fragte Cosmo, der genauso wenig wie wir Ahnung hatten, wo wir
genau waren.
» Bei mir dauert die Fahrt nur eine
Stunde! Kommen Sie, gesellen Sie sich zu mir. Und Sie da mit dem Geschenk – das
können Sie gerne in den Kofferraum packen. «
Martin watschelte mit seinem riesigen Geschenk zum Kofferraum und verräumte es
direkt darin. Vorsichtig schloss er die Kofferraumtür und stieg hinten ins
Auto. Chris und Cosmo stiegen zu ihm und ich setzte mich auf den Beifahrersitz.
» Es gibt nur noch vier davon im ganzen Land – und die gehören alle mir! «,
sagte der Herr stolz und zeigte auf sein Auto.
» Oh Sie sind Sammler? «, fragte
Martin.
» Nein, aus den drei anderen hol ich
mir Ersatzteile. « Er startete den Wagen. » So! Nun halten Sie Ihre Hüte fest!
« Mit einem sanften Schnurren bewegte sich das Auto von der Stelle.
Es war ein wundervolles Gefühl wieder zu sitzen. Und zwar in einem warmen Auto.
Ich blickte aus dem Fenster und machte Ortschaften aus, die mir komplett fremd
waren. Ich hörte plötzlich ein lautes Geräusch. Als ich mich nach links
umdrehte, sah ich, wie ein Bus uns überholte. In dem Moment fiel mir dann auch
auf, dass wir recht langsam fuhren. Ich sah zu Chris, der bereits ungeduldig
die Arme verschränkte.
» … Haben wir jetzt die
Höchstgeschwindigkeit erreicht? «, fragte er.
» Er braucht ein paar Minuten bis er
warm ist. Und dann brausen wir dahin wie der Wind! «, sagte er ganz
entschlossen, während mehrere Autos ihn überholten.
Es verging einige Zeit, in der ich stumpf aus dem Fenster rausstarrte und ich
mir dachte, dass wir gleich hätten laufen können.
» Wir sind jetzt schon ne halbe Stunde
unterwegs und der Wind ist schneller als wir. «, sagte ich in einem zynischen
Ton.
» Nun, wir fahren… « Er lehnte sich
nach vorne und versuchte etwas von seinem Armaturenbrett abzulesen. » … 150 im
Moment. «
» Nein, das ist Ihre Uhr. Sie zeigt 15
Uhr. «, erklärte ich ihm.
» Ach, achten Sie nicht auf die Uhr.
Die geht immer kaputt. «
Entweder kam bei mir langsam der Wahnsinn durch, oder der Mann fuhr mit der
Zeit immer langsamer. Meine Vermutung bestätigte sich, als uns plötzlich mehrere
Fahrradfahrer überholten.
» Hören Sie, nichts für ungut, aber… glauben
Sie wirklich, wir schaffen den ganzen Weg nach Heela in einer Stunde? «, fragte
Martin sehr skeptisch.
» Wer hat das gesagt? «
» Sie haben das vorhin gesagt. «
» Oh nein nein neein! Da haben Sie mich
missverstanden. Ich meinte Folgendes. Ich kann so fahren, dass einem die dreistündige
Fahrt vorkommt wie eine Stunde! Genießen Sie die Landschaft, die Ruhe! Freuen
Sie sich, dass sie gesund und munter sind! Auf diese Art hab ich es schon
einmal in 42 Minuten geschafft! «, sagte der Greis stolz.
» Ahh.. ja. « Cosmo nickte mit einem
aufgesetzten Lächeln und warf uns anschließend einen verzweifelten Blick zu.
Der Mann nieste kurz.
» Hui entschuldigen Sie bitte. Der
frische Duft des Waldes hat stets eine berauschende Wirkung auf mich! «,
erklärte der Herr.
» Also, wenn Sie berauscht sind, würde
ich mich gern als Fahrer zur Verfügung stellen. « Martin versuchte die
Situation gerade so zu retten.
» Nein nein nein, es geht mir gut! «
Chris schnaufte auf der Rückbank. Nach einer Weile stoppte das Auto.
» Wieso halten wir an? «, fragte Cosmo.
Ich rüttelte dem Mann leicht am Arm. Er schien eingeschlafen zu sein.
» Ähh. Hallo. Ist alles in Ordnung? «,
fragte ich. Dann fing ich an zu lachen.
» Herrje, ich glaube… er schläft. «,
stellte Cosmo von hinten fest.
» Wann war er denn mal wach?! «, fragte
ich zurück. Chris beugte sich nach vorne.
» Na gut, zieh ihn zur Seite. Ich
fahre. «, meinte Chris, dem eindeutig der Geduldsfaden riss. Ich fühlte das
Handgelenk des Mannes. » Worauf wartest du? Er wacht wieder auf und dann werden
uns noch die Schnecken überholen. «
» Nein, er wird nicht mehr aufwachen,
er ist tot. «, antwortete ich.
» Tot?! Woher weißt du das? «, fragte
Cosmo.
» Kein Herzschlag und kein Puls
bedeutet tot. Was willst du denn, soll ich eine Autopsie machen?! Der Mann ist
tot. « Ich seufzte lange.
» Es ging zum Glück schnell. «, meinte
Martin von der Rückbank aus.
» Du bezeichnest fünf Kilometer die
Stunde als schnell?! «, antwortete ich ihm. Ich schlug mir die Hände ins
Gesicht.
» Oh, oh… «, sagte Cosmo in einem
leisen, beängstigenden Tonfall. Ich drehte mich um und sah, dass ein
Polizeiauto hinter uns anhielt und sich Türen öffneten. Zwei Polizisten stiegen
aus. Einer kam an mein Fenster, der andere gegenüber. Ich kurbelte das Fenster
runter.
» Sie wissen doch, dass Sie nicht
mitten auf der Straße halten können? Bitte fahren Sie dort rüber.“, sagte der
Polizist.
» Um das tun zu können, müssten wir den
Fahrer umsetzen… und wie Sie sehen ist er… «, sagte Cosmo vorsichtig.
» Ist er krank? «, fragte der Polizist
skeptisch.
» Nein. «, antwortete Martin.
» … ist er betrunken?! «
»
Nein.. wie wärs mit tot? «, antwortete ich. Der Polizist griff ins Auto
den Arm des alten Mannes und stellte fest, dass er keinen Puls mehr hatte.
» Wie ist das passiert?! «, fragte er.
» Wissen wir nicht. Wir denken, dass
Gott herunterkam und ihn mitnahm. « Die Polizisten zückten fast zeitgleich ihre
Waffen.
» Ich fordere Sie auf, aus dem Wagen
auszusteigen! «, rief er in einem nervösen Ton. «, erzählte ich allen.
hris holte einmal tief Luft.
» Nun, eigentlich ging es genauso
weiter wie bisher – also vollkommen katastrophal «, sagte er.
Gespannt hörten alle zu.
» Aaaalso… Wir saßen nun alle in dem
Auto von dem toten Greis. Die Polizisten standen mit gezogener Pistole seitlich
von uns und riefen uns dauernd zu auszusteigen.
» Aber… er ist an Altersschwäche
gestorben «, sagte Maddin.
» Das klären wir gleich in aller Ruhe,
aber jetzt erst mal raus «, sagte der eine Polizist, immer noch die Pistole
gezogen. Maddin, der das riesige Geschenk immer noch fest umklammerte, Jack und
ich stiegen langsam in Richtung Straßenrand aus – bis auf Cosmo…
» Boah, das wird mir jetzt eindeutig zu
blöd! Bis wir uns erklärt haben, ist Weihnachten längst vorbei «, sagte er,
sprang von der Rücksitzbank auf und stolperte in den aussteigenden Maddin rein.
» Niiicht «, rief ich. Das Geschenk
samt Maddin fiel auf mich. Um meinen drohenden Sturz abzufangen, hielt ich mich
an Jacks Mantel fest. Nun gerieten wir alle ins Straucheln und fielen durch den
Schwung den Abhang hinter dem Straßenrand herunter.
Das letzte, was ich sah, bevor ich mich im weichen Schnee mehrmals überschlug,
waren die verdutzten Gesichter der Polizisten, die ihre Waffen sogleich
wegsteckten.
Wir rollten den schier endlosen steilen Abhang mit einem Affenzahn herunter.
» Aaaahh kackee «, mehr brachte ich
nicht hervor. Zwischendurch sah ich Jacks Gesicht für einen Bruchteil schreiend
an mir vorbeirauschen. Auf einmal wurde die Abfahrt ziemlich komfortabel, denn
wir hatten uns mittlerweile in eine große Schneekugel eingerollt.
Plötzlich flogen wir für einen Moment durch die Luft und unsere Schneekugel
zerbarst mit einem lauten Krachen auf dem Boden.
Mir drehte sich der Kopf, aber verletzt hatte ich mich nicht. Ich schaute gen
den rötlichen-dunkelblauen Abendhimmel.
» Gehts dir gut Jack, Chris, Maddin? «,
fragte Cosmo.
» Gehts dir noch gut? «, raunte Jack
zurück.
» Sie müssen da unten sein, ruf
Verstärkung «, hörten wir von weit oben den Polizisten rufen. Nun schwang der
schimmrig-unscharfe Kegel einer Handlampe suchend den Abhang hinunter, der
durch die winterliche Abendsonne sonst kaum angestrahlt wurde.
» Los, rüber «, sagte Maddin und zog
uns zum Vorsprung, der uns Sichtschutz bot. Ich sah mich um und bemerkte erst
jetzt das Plätschern des Flusses vor uns und die schneebedeckte Vegetation
drumherum.
» Guck mal, keine Gewalteinwirkung… Ruf
mal vorsichtshalber noch den Arzt an «, sagte der andere Polizist. Scheinbar
sahen sie sich grad den Greis genauer an.
» Ich glaub Cosmo hat Recht. Bis wir
das durchgekaut haben, sind wir erst morgen wieder raus. Wir haben ja auch
niemanden was angetan. Und den Anweisungen haben wir uns ja auch nicht entzogen
– wir sind halt ins Straucheln geraten «, sagte Jack.
» Nennen wir es mal Straucheln «, antwortete
ich und guckte dabei Cosmo böse an.
» Ich schlag vor, dass wir jetzt erst
mal in Richtung Heela aufbrechen «, sagte Jack.
Also schritten wir gemeinsam den Fluss in die ursprüngliche Fahrtrichtung
entlang. Über uns hörten wir die Autos entfernt vorbeirauschen.
Nach einer Weile meldete sich Maddin zu Wort:
» Seht ihr das auch? «, sagte er und
deutete vor uns auf eine in der herannahenden Dunkelheit kaum zu erkennende
Brücke, die sich weit über den Fluss erstreckte. Die gusseiserne Brücke führte
vom Wald rechts bergauf und verschwand leicht diagonal in den Abhang links von
uns. » Das muss ne Eisenbahnbrücke sein! Kommt, wir springen von der
Überführung da oben auf den nächsten Zug nach Heela! «, rief Maddin euphorisch
und rannte den Hügel hinauf in Richtung Eisenbahntunnel.
» Hey, hey, woher wissen wir, welche
der Schienen die richtige Zugrichtung ist? «, fragte Jack.
» Im Zweifel die, die der Fahrbahn am
parallelsten ist «, rief Maddin zurück.
Wir gingen nun alle den Abhang hinauf. Die alte hölzerne Überführung über den
beiden Bahngleisen sah mir nicht geheuer aus. Als wir sie bestiegen, hörte ich
einen Güterzug aus dem Tunnel herannahen. Und keine 5 Sekunden später schoss
wie aus dem nichts unter mir eine dampfende Lok die Brücke herunter. Die
Überführung erbebte. Ich rutschte herunter und hing nun nur noch mit einer Hand
am Stützpfahl. Unter mir rumpelten offenen Waggons um Haaresbreite an meinen
Schuhen vorbei.
Die drei eilten mir zur Hilfe und zogen mich hoch. Gerade noch rechtzeitig,
denn plötzlich schnappte aus einem der Güterwaggons ein Bär nach meinem Bein
und zerriss meine Jeans.
» Alter, was war das denn «, sagte ich,
nachdem ich oben war. Der Zug raste in den Wald, der das Rattern der Waggons
und das Brummen seiner pelzigen Ladung verschlang.
» Bärenstark «, sagte Cosmo, den ich
sogleich am liebsten mit etwas Fäustekirmes das Gesicht richten wollte.
» Hey, guck, da kommt der nächste Zug
nach Heela «, sagte Jack, der über die Brücke in Richtung Wald deutete. Eine
Lichtquelle kam aus dem Wald empor und leuchtete die Bäume an. Ein edler
Passagierzug in Dunkelblau bahnte sich langsam seinen Weg die Brücke hoch.
» Nächster Halt, Heela, bitte
einsteigen «, sagte Cosmo und schubste uns alle runter. Ich sah unter uns das
gläserne Dach eines Abteils, durch das wir scheppernd fielen. Danach war ich
weggetreten. » Alles gut der lebt noch «, hörte ich Cosmo. Ich kam langsam
wieder zu mir. Mir drehten sich die Augen.
» Hä, was war passiert? «, fragte ich.
Ich sah rechts neben mir Maddin unter dem sichtlich mitgenommenen Geschenk
begraben liegen. Das Geschenkpapier wies an den Ecken mehrere dunkle Abriebe
auf und das Geschenkband war ausgefranst. Achja und Maddin war scheinbar
bewusstlos.
» Schnell, wir müssen aussteigen, das
müsste Heela sein «, sagte Cosmo, der scheinbar aus den Fenstern schaute. Jack
hakte ein:
» Und was ist mit der zerstörten Decke?
– Ist das nicht alles etwas illegal? «.
» Hey, es ist Weihnachten «, sagte
Cosmo leicht anstrengend und zog einen für das zerdepperte Glasdach angemessen
großen Geldschein aus seiner Hosentasche und legte es auf dem Boden.
Ich stand auf und sah durch die großen Fenster, wie die vielen Häuser, in der
Dunkelheit nur noch an den gelblich-orange leuchtenden Fenster erkennbar, immer
langsamer an uns vorbei zogen. Ich rappelte mich rechtzeitig auf. Ein sanftes
Bimmeln kündigte das Öffnen der doppelten Zugtüren an. Jack zog den taumelnden
Maddin hoch.
Wir stolperten heraus, und scheinbar als Einzige. Weit und breit war kein
Mensch auf dem Bahnhofsteg.
Maddin war ziemlich schnell wieder unter den Lebenden.
» Ja und jetzt? «, fragte Maddin
panisch, als er die Bahnhofsuhr erblickte. Sie zeigte 22:00 Uhr an.
» Schnell, wir müssen jemanden in der Stadt
finden, der uns zum Hafen bringen kann. Dort nehmen wir dann unser Ruderboot «,
sagte Jack.
Cosmo, Jack und ich gingen die Treppen herunter, während Maddin diese mit
seinem riesigen Geschenk herunterstürzte.
» Du musst aber auch überall der Erste
sein, oder? «, sagte Cosmo, als wir an der Straße ankamen. Es herrschte
plötzlich eine mörderische Stille.
Vor uns erstreckte sich eine durchgängige Häuserreihe, deren erste Etagen
festlich geschmückt waren. Ein warmes Licht leuchtete aus den darunterliegenden
Schaufenstern und reflektierte gelblich-orange auf der gesamten Straße. An der
Häuserecke hinten links bog ein Auto ab und verschwand sogleich hinter der
Fassade.
» Hey, da ist wer! «, jauchzte Cosmo
und lief zum naheliegenden Taxistand. Dort war außer einer Frau mit blondem
wallenden Haar und einem schwarzen modischen Hut, die neben einem leeren Taxi
stand, keine Menschenseele. » Entschuldiguuuung «, rief Cosmo, der auf dem
Bürgersteig ausrutschte und volle Kanne die Frau umhaute. Wir liefen hinterher,
legten uns aber ebenfalls auf derselben Stelle hin. Vom Boden aus sah ich
plötzlich, wie Cosmo seinen Kopf mit dem blonden wallenden Haar in die Luft
reckte – scheinbar trug die Frau ehemals eine Perrücke.
Unvermittelt bog ein dunkelblauer Streifenwagen der heelanischen Nachtwache um
die Ecke.
» Die suchen uns! Verkleide dich –
sonst wäre unsere Flucht umsonst gewesen «, rief ich Cosmo vom Boden aus zu. Er
duckte sich, kramte in der Handtasche der Frau und schmierte sich sogleich
einen dunkelroten Lippenstift ins Gesicht. Der Wagen kam näher und Cosmo hievte
die bewusstlose Frau hoch, um den Eindruck einer dezent erotischen Szene zu
erwecken.
» –Nur eine Dragqueen, lass uns weiter
«, sagte der eine Wächter durch die heruntergelassene Fensterscheibe. Nachdem
der Wagen außer Reichweite war, standen wir auf. Die Frau kam langsam zu sich.
» Wo bin ich? «, fragte sie, während
Cosmo ihr die Perücke – leider falsch herum – aufsetzte.
» Hey, Taxi «, rief Maddin und
stolperte mitsamt Geschenk auf die Fahrbahn. Das heranfahrende Taxi machte eine
Vollbremsung und touchierte das Geschenk. Nun sah es vollendst mitgenommen aus.
Ein alter Bekannter schaute aus dem Fahrerfenster hervor und fragte, wohin wir
wollen, während er einmal, wohl versehentlich, etwas Gas gab.
» Oh Gott «, riefen Jack und Martin
gleichzeitig – aber da wir es rechtzeitig zum Hafen schaffen wollten, blieb uns
nicht mehr viel übrig «, erzählte ich.
» Alter, das war ja richtig gefährlich
«, sagte Finn.
» Ja, aber auch total spannend «, sagte
Tessi.
» Und es wird noch besser «, kündigte
ich breitspurig an.
» Ah, ich hab da schon eine Theorie…
«, sagte Max, doch Nylo fiel ihm sofort ins Wort:
» Machs nicht so spannend – wie gehts
weiter? «.
» Den nächsten Part muss euch aus gutem
Grund unbedingt Maddin erzählen «, schob ich vor, um auch mal endlich was vom
Christstollen zu probieren. Ich nahm das große Brotmesser, achtelte den Rest
vom Christstollen und legte eine halbe Scheibe zurück auf den Teller.
» Alter Maddin, jetzt mach mal hinne,
ich halts nicht mehr aus «, nörgelte Nylo. Vorsichtig legte er das übel
zugerichtete, jedoch immer noch, dank Cosmos wundervollen Gesichtsnegativs,
schön anzusehende Geschenk vor mir ab.
» Ihr erratet nie, wer der Taxifahrer
war «, erzählte ich den anderen mit einem breiten Grinsen.
» Herr Eggert, wie kommt es, dass Sie
nun Taxifahrer sind? Ich dachte sie erzählen den Menschen zu Weihnachten immer
noch tolle Weihnachtsgeschichten? «
» Leider lief es nicht mehr so gut mit
den Weihnachtsgeschichten und New Andora TV hat mich rausgeworfen. Jetzt musste
ich mir wohl oder übel einen anderen Job suchen, und hier seht ihr mich nun,
als Taxifahrer. «, erzählte Heinz.
» Wollt ihr vielleicht eine
Weihnachtsgeschichte hören? «, fragte er uns grinsend. Wir guckten uns alle
gegenseitig an, und Chris ließ ein lautstarkes
» Aber gerne doch! « vernehmen. So
räusperte er sich und fing an zu erzählen:
» Der sechste Dezember ist Nikolaustag
und der einzige, der das offensichtlich nicht gewusst haben kann, ist der
Bischof Nikolaus selbst gewesen… « Jack guckte ungeduldig auf seine Uhr.
» Leute, ich hoffe wir schaffen es noch
rechtzeitig «, flüsterte er besorgt, um Heinz Eggert nicht zu unterbrechen.
» Keine Sorge Jack. Die Pappnasen
können auch noch warten «, versuchte Chris ihn zu beruhigen.
» Ja, aber wir wollen zusammen
Weihnachten feiern, und damit man das kann, muss man an Weihnachten zusammen
sein und nicht einen Tag später «, brummte er zurück. Während wir so durch die
Straßen von Heela tuckerten und Heinz seine Weihnachtsgeschichten erzählte,
versuchten wir uns ein wenig zu entspannen und keiner von uns merkte, wie sich
langsam unsere Augen schlossen.
Wir wurden alle durch Heinz Eggerts heftige Bremsung geweckt.
» Wir sind da! «, verkündete er
lautstark. Noch im Halbschlaf fragte ich ihn:
» Wie viel kostet das Ganze? «
» Nichts, Jungs. Ich wünsche euch frohe
Weihnachten. Passt auf, dass ihr nicht in irgend einer Hintergasse verprügelt
werdet. « Heinz lachte laut.
» Wirklich?! Heinz… Du bist der Beste!
Dir auch frohe Weihnachten! «, rief Jack mit einem Funkeln in den Augen.
Nachdem wir ihm alle frohe Weihnachten wünschten, machten wir uns daran,
auszusteigen. Plötzlich sah ich, wie Jack kreidebleich wurde.
» Was ist los? « fragte ich.
» Leute, wir haben nur noch eine halbe Stunde,
um nach Silvercoast Island zu kommen! « entgegnete er. Ich musste schwer
schlucken. Das war wirklich viel zu knapp, und wir alle wussten, mochten es
jedoch nicht aussprechen, dass wir keine Chance hatten, es innerhalb einer
halben Stunde mit dem Ruderboot bis nach Silvercoast Island zu schaffen.
» Ich kenne da jemanden, der euch
innerhalb einer halbe Stunde nach Silvercoast Island bringt «, meldete sich
Heinz Eggert zu Wort. » Es gibt da einen Privatflugplatz am Rande von Heela. Da
wohnt so ein verrückter Pilot, der macht das bestimmt für euch! « Nach einigen
Bedenken wussten wir keinen anderen Ausweg aus dieser prekären Lage und da wir
nicht zu spät zur Weihnachtsfeier kommen wollten, blieb uns nichts anderen
übrig, als das Angebot von Heinz Eggert anzunehmen. Sogleich fuhr Heinz Eggert
los. Fünf Minuten später waren wir auch schon bei besagten Privatflugplatz
angekommen. Dieser lag ziemlich abseits von der Stadt, jedoch auch in der Nähe
des Wassers, und als wir alle ausstiegen, fielen mir direkt zwei Gerüche auf:
Auf der einen Seite war da dieser klassische, absolut wunderschöne Duft des
Meeres, so wie ich ihn von Silvercoast Island kannte, als ich mal im Sommer da
gewesen war, um Jack zu besuchen. Und dann war da noch ein anderer Geruch, der
so stechend war und so unnatürlich vertretend, dass ich schon hörte, wie Jack
hinter mir anfing zu würgen: Wodka. Wir verabschiedeten uns von Heinz Eggert.
Als wir uns vom Taxi weg bewegten, sah ich noch, wie Jack zu Heinz ging und ihm
etwas – von hier aus unverständlich – zuflüsterte. Jack überreichte ihm etwas,
worauf Heinz einen sehr sentimentalen Blick bekam. Jack winkte ihm noch zu und
schloss die Tür. Heinz setzte dann mit seinem rustikalen Taxi seine Heimfahrt
an wir und bewegten uns auf die kleine Hütte zu die am Rand der Landebahn
stand. Viel Zeit war jetzt nicht mehr, deswegen fand ich jetzt auch keine Zeit,
Jack zu fragen, was er ihm noch sagte. Ich hechelte ziemlich, als ich versuchte
die anderen mit meinem riesigen Geschenk einzuholen. Cosmo ging als erster
durch die Tür.
» Wer seid ihr?! Was wollt ihr?! «,
schallte es uns gleich entgegen. Ich lugte hinter meinem Geschenk hervor.
» Wir würden gerne einen Flug nach
Silvercoast buchen «, sagte Cosmo in einem Ton, den er vermutlich öfter in
seinem Amt benutzte. Die überaus bärtige, finster dreinblickende und
wahrscheinlich stark alkoholisierte Person, schaute uns unglaubwürdig an und
schwieg für eine Weile. Riss dann aber plötzlich die Augen auf.
» Was?! Martin?! Du Hurensohn! Du hättest
ja auch nicht Bescheid geben können, dass du hier mal auftauchst. «, sagte er
in einem zynischen Ton. Jack wich erschrocken zurück.
» Daniel?! Ich hab dich mit dieser
beschissenen Mütze überhaupt nicht erkannt! «, rief er ihm zu. Auch Chris und
Cosmo sahen jetzt erst, wer die Person war.
» Daniel, hör zu. Wir müssen dringend
nach Silvercoast Island. Vor Mitternacht. Geht da noch wat? «, fragte Jack ihn.
» Yo klar. Ich bring euch nach
Silvacoast *hicks* Island! « Jack schaute wieder einmal auf seine Uhr.
» Leute, wir haben keine Zeit. Wir
haben gar keine andere Wahl mehr als zu fliegen! « meinte Jack.
» Und Selbstmord begehen? Daniel stürzt
garantiert ab! «, beschwerte ich mich.
» Kommt schon Leute, das wird lustig!
«, sagte Chris mit einem Grinsen auf den Lippen.
» Na gut. «, antwortete ich.
» Ihr wollt.. also nach Silvercoast
Island? «
» Ja, genau! Und bitte schnell, wir
haben nicht mehr viel Zeit bis Weihnachten vorbei ist! «, drängelte Jack.
» Aalso gut, los geht’s! «, schrie er
mit unnötig hoher Lautstärke und startete das Flugzeug. Unter Ruckeln und
Ächzen quälte sich der Motor der Rostlaube und wir setzten uns in Bewegung. »
Anschnalleeen! «, kam es von vorne. Wir sahen uns nach Gurten um, jedoch waren
keine vorzufinden.
» Daniel, du Stück Scheiße, hier sind gar
keine Gurte! «, schrie Cosmo hysterisch.
» Das war auch nur ein Witz! «, rief
der er zurück und fing lauthals an, wie ein Wahnsinniger zu lachen. Und bevor
wir wussten, ob er das erst meinte, waren wir schon in der Luft. Das Geschenk,
das ich zu vor in den Händen hielt, wurde mir entrissen und knallte Chris, der
gegenüber von mir saß, mit der Kante ins Gesicht.
» Aaauu! « schrie er auf und stieß das
Geschenk von sich weg. Es ging ein lautstarkes Lachen um, und Chris der uns
erst böse anfunkelte, lachte nach kurzer Zeit auch mit.
Während wir so durch die Luft ruckelten, sah ich wie Cosmo besorgt aus dem
Fenster sah. Ich teilte seine Besorgnis, denn draußen war nichts außer eine
aggressive Mischung aus schwarz und weiß zu sehen, als hätte jemand einen
leeren Kanal im Fernsehen angestellt.
» Wenigstens kommen wir jetzt
rechtzeitig an «, hörte ich wie Jack sich zu beruhigen versuchte. Auf einmal
sah ich wie zu der Mischung aus schwarz und weiß ein Grau eingeschlichen hatte.
Besorgt sah ich nach vorne. Aus dem Frontfenster des Flugzeugs war dasselbe zu
sehen.
» Hey, was geht da ab? « rief ich nach
vorne. Jedoch kam keine Antwort zurück, das Einzige was ich vernahm, war ein
leises Schnarchen. » Scheiße! «, schrie ich lauthals und auch die Anderen richteten
ihren Blick nach vorne. Cosmos Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Während
wir spürten, wie das Flugzeug langsam aber sicher an Höhe verlor, packte uns
die blanke Panik. Cosmo fing an zu schreien und Jack meldete sich zu Wort:
» Leute, sucht nach Fallschirmen! Nach
Fallschirmen! «
» In dieser Rostlaube? Der hat bestimmt
nicht mal einen! «, schrie Cosmo.
» Ich hab welche! « meldete sich Chris.
Er schmiss uns jeweils einen Fallschirm zu und machte sich daran, in das
Vordere des Flugzeugs zu klettern.
» Was machst du da? « rief ich ihm
hinterher.
» Den Piloten retten, was sonst? «, gab
er zurück. Auf einmal gab es einen heftigen Ruck. Chris stolperte nach vorne
und Cosmo, Jack und Ich wurden an die Wand gedrückt. Durch unser gemeinsames
Gewicht gab diese nach und wir wurden allesamt nach draußen geschleudert. Ich
versuchte, mein Gleichgewicht wiederzuerlangen, und unter tödlicher Angst hielt
ich Ausschau nach den anderen. Schon in weiter Ferne sah ich, wie das brennende
Flugzeug weiter in die Tiefe stürzte und kurz darauf, wie sich eine Silhouette
mit einem großen Würfel aus der Tür katapultierte und ihren Fallschirm öffnete.
» Woohoooo! «, konnte ich noch Chris‘ Stimme vernehmen. Zu sehr auf die
Geschehnisse um mich herum fokussiert, hatte ich völlig vergessen meinen
Fallschirm zu öffnen, was ich auch schleunigst tat. Einige Sekunden später
landete ich mit der Fressluke voran im Schnee und der Fallschirm breitete sich
über mich aus. Ich befreite mich aus diesem, hustete den Schnee und Sand aus
und schaute mich hektisch um.
» Jaack? Coosmooo! Chriiis! « rief ich
verzweifelt. Nur einige Meter neben mir erhob sich ein weißer Kopf aus dem
Schnee. Er schüttelte sich und Jacks Gesicht, was ich normalerweise als extrem
hässlich bezeichnen würde, aber der nun einer der wundervollsten Anblicke war,
kam zum Vorschein.
» Hier! «, meldete er sich und grinste
mich an. Wir drehten beide unsere Köpfe in dieselbe Richtung, denn wir
vernahmen einen Schrei von nicht allzu weit weg. Ich half Jack aus dem Schnee
und wir machten uns auf die Suche nach der Quelle des Schreis. Cosmo, der
mitsamt Fallschirm in einer Palme hing, stellte sich als genau jene Quelle
heraus.
» Hey Leute, hier! Helft mir mal! «,
rief er zu uns herunter.
» Warte mal.. Palmen? Das heißt wir
sind auf.. «, sagte Jack.
» Silvercoast Island? Genau! «, und wurde
direkt unterbrochen. Chris, der mit dem Geschenk in der Hand gemächlich auf uns
zu ging, grinste uns wie immer breit an. » Leute, ich hätte mich fast
eingeschissen. Und wenn ich das sage, dann heißt das schon was. « Wir mussten
alle erleichtert loslachen.
» Hey, genug gelacht! Holt mich runter!
«, beschwerte sich Cosmo. Jack, der überaus begabt im Palmenklettern war,
befreite Cosmo aus seinem Fallschirm und landete sanft auf dem weißen Strand.
» Bitteschön, im makellosen Zustand «,
sagte Chris in einem feierlichen Ton als er mir das Geschenk überreichte.
» Bist‘n Schatz «, gab ich zurück und
Chris zwinkerte mir zu.
» Was ist mit Daniel passiert? Weißt
du, wo er gelandet ist? «, fragte Jack in Richtung Chris.
» Oh bitte, hoffentlich ist er tot. Ich
hasse ihn. «, sagte Cosmo, während er sich aufrichtete.
» Ich konnte ihm noch den letzten
Fallschirm umschnallen und rausziehen, danach hab ich mir das Geschenk geschnappt
und bin rausgesprungen. Keine Ahnung, wo er gelandet ist. «, erklärte Chris.
Kurz danach machten wir uns auf die Suche nach ihm. Wir untersuchten auch das
Wrack des in der Nähe abgestürzten Flugzeugs. Nach kurzer Zeit deutete Jack auf
den Boden.
» Da, seht! Da sind Fußspuren! Die
führen eindeutig zu meinem Haus! Lasst da schnell hin! « Von allen gab es ein
zustimmenden Nicken und wir rannten, was das Zeug hält. Und naja, jetzt sind
wir hier «, erzählte Martin zu Ende.
ür einen kurzen Moment war Stille.
» Alter. « Steffen war der erste, der
sich meldete. Die anderen waren noch sichtlich erstarrt.
» Das is wirklich passiert? Ich glaub
euch kein Wort, ihr Spastis «, rief Conni empört.
» Kein Scherz, das ist alles wirklich
passiert «, brachte Chris hinter seinem Schmatzen hervor. Ich sah mich suchend
um.
» Aber… Daniel ist doch gar nicht
hier?! «, rief ich. Martin runzelte die Stirn.
» Jetzt, wo du’s sagst… «, meinte er.
» Ihr Huuurensöhne! « Mit einem lauten
Knall öffnete sich die Haustür. Daniel stand völlig unversehrt in der Tür,
während es hinter ihm reinschneite. Unser leicht neben der Spur wirkende Pilot
haute die Tür hinter sich ins Schloss und schleuderte seinen Mantel in die Ecke
und hing seine überdimensionierte Mütze an einen der Huthaken.
» Daniel?! Oh Gott, es ist Daniel! «
Steffen sah ihn erschrocken, aber freudig an. » Du hast es ja doch hierher
geschafft! «
» Du olle Sau! Und ich dachte du packst
das nicht mehr. «, rief Phil, der Daniel prompt umarmte. Daniel zwang sich ein
Lächeln ins Gesicht, guckte nachher aber wieder grimmig drein.
» Dafür ist meine schöne Sascha nun im
Arsch. « Daniel wirkte sehr mitgenommen und setzte sich erst mal.
» Was hast du im Arsch stecken? «,
tönte es weiter hinten von Chris, der dabei nur am Lachen war. Ich legte meine
Hand auf Daniels Schulter.
» Daniel. Keine Sorge, ich kümmere mich
um den Schaden. Mach dir da jetzt keine Gedanken. Wir haben Weihnachten! « Man
sah direkt, wie Daniels Stimmung sich stark erhellte. Er sah sich kurz um und
hatte plötzlich einen noch fröhlicheren Gesichtsausdruck, als er die Flasche
Wodka entdeckte, die wohl einer der anderen mitbrachte
» Aber was ganz anderes jetzt – Was ist
in dem Geschenk drin?! «, rief Tessi neugierig mit einem leicht aggressiven Ton.
» Tjahahaa. Ich hab mir was suupertolles
überlegt, auf das keiner von euch je gekommen wäre. Das schönste, beste und
tollste Geschenk, dass ihr je zu einem Weihnachten erhalten werdet «,
entgegnete Martin ihr.
» Das da drin ist für uns alle? «,
fragte Nylo argwöhnisch und sah zu mir hinüber. Ich nickte nur, doch auch ich
hatte keine Ahnung was in dem Geschenk war. Martin hatte niemandem erzählt, was
er eingepackt hatte, doch so wie Martin grinste, musste es etwas Umwerfendes
sein. Schließlich hatte er es die ganze Reise über mit seinem Leben verteidigt.
» Jetzt mach schon auf Mann! «, sagte
Phil ungeduldig.
» Is ja gut, is ja gut. Ich mach‘s ja
auf. «, entgegnete Martin unter leisem Kichern. Während alle gespannt auf das
Geschenk blickten, zog er die Schleife vom Geschenk ab, entfernte die
Klebestreifen von den Seiten und öffnete die große Schachtel… Und sie war leer.
Nichts außer der Transportfolie war in dem Geschenk. Das Grinsen wich von
seinem Gesicht. » Ich hab‘s vergessen einzupacken. Scheiße.. «, flüsterte er.
» Scheiße GEIL! «, rief Max und stürzte
sich wie ein Wilder auf die Transportfolie. Die anderen folgten ihm innerhalb
einer Sekunde und alles was ich hörte war immer wieder lautes Knallen. Alle
Mitglieder der Familie waren hellauf begeistert. Die meisten schrien wie wild
herum, stritten um den Massenbesitz besagter Folie, sprangen auf ihr herum und
knallten wie blöde. Ich stand mit offenem Mund da und beobachtete das
Spektakel.
» Danke, Martin! Du bist der Beste! «,
kam es von Phil.
» Richtig der kränke Shit, Junge. «,
meinte Finn, während er weiter an der Knallfolie saß.
» Tja, kaum zu glauben, dass die sich
über Knallfolie genauso freuen… Naja, ihr werdet noch sehen, was euer Geschenk
eigentlich sein sollte. «, sagte er leicht enttäuscht.
Ich ließ die Knallfolie fallen und trat auf Martin zu.
» Weißt du. Es kam gar nicht so darauf
an, was du uns schenken wolltest. Sondern, dass du dir die Mühe gemacht hast
uns überhaupt etwas zu schenken. Und du hast dieses verdammte Geschenk durch
alle Strapazen durchgebracht. Danke dafür. «, sagte ich zu ihm.
» Nicht dafür. «, meinte Martin ganz
verlegen.
» Leute? «, rief ich um etwas
Aufmerksamkeit zu bekommen, worauf die Knallfolie langsam verstummte. » Vielen
Dank. Für Alles. Dass Ihr hier seid, dass ihr hier mit uns zusammen Weihnachten
feiert. Es ist nicht selbstverständlich so eine gute Familie zu haben. Und noch
weniger selbstverständlich alle zu so einem Fest zusammen hier zu haben. Ich
bin wirklich glücklich, dass ihr alle da seid. Und danke an Chris, Martin und
Cosmo, die diese wilde Reise mit mir durchgemacht haben. Und auch danke an… «
Ich seufzte. Ein wenig enttäuscht war ich trotzdem. Denn…
Es klingelte plötzlich an der Tür! Jetzt kam mir ein Grinsen ins Gesicht. Cosmo
stand schnurstracks auf und ging in den Flur. Aus Neugier folgten wir.
Es war Heinz Eggert!
»
Heinz! Du hast es ja geschafft! Komm doch rein! «, lächelnd ging er mit kleinen
Schritten hinein und schloss die Tür hinter sich. Als er mich erblickte, trat er
sofort an mich ran und gab mir eine viel zu kräftige Umarmung.
»
Jack. Und auch euch allen. Vielen Dank für die Einladung. Ich weiß das wirklich
zu schätzen. « Es war Weihnachten. Und Heinz tat mir tatsächlich sehr leid, wie
er da an Heiligabend nur in seinem Taxi saß. Und so, wie er uns mit Enthusiasmus
seine Weihnachtsgeschichten vortrug, bedeutete ihm dieses Fest wohl auch viel. Deswegen
konnte ich nicht anders als ihn noch zu uns einzuladen. Als alter Bekannter von
uns war das sowieso eine Selbstverständlichkeit.
»
Leute. Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten. « Alle waren so voller Leben und
man umarmte sich als würde man Sektgläser anstoßen. Nachdem wir uns etwas beruhigt
hatten, nahm Heinz auf einem Sessel Platz und erzählte uns noch einige Weihnachtsgeschichten,
bis es mir irgendwann wieder die Augen zu zog.