Kapitel 1
Erleuchtung
Erster Dezember… dachte ich, als ich verschlafen einen Blick auf den Kalender warf, der sich an der Wand bei meinem Bett befand… Erster Dezember! Ich fuhr plötzlich hoch, als ich erschrocken festgestellt habe, dass ich beinahe den Beginn der Adventszeit verpasst hätte! Dabei liebte ich doch Weihnachten! Ich, der große Jack Jasra, von niemanden übertroffen in seiner Liebe zu dem heiligen Fest! Zumindest dachte ich das.. und nun machte es mich doch etwas traurig, dass ich bis jetzt kaum an den ersten Dezember gedacht hatte. Der Beginn der Adventszeit! Und morgen gleich der erste Advent! Weihnachtsbeleuchtung, Dekoration, Adventskranz und einen wunderbar leckeren Adventskalender! Jetzt sprang ich endgültig aus dem Bett und fluchte halblaut! Nichts davon hatte ich! Weder Weihnachtsbeleuchtung, noch Dekoration, noch einen Adventskranz, noch einen Adventskalender! Da beginnt die Adventszeit und man ist nicht mal in der Lage das erste Türchen zu öffnen um sich an einem wunderbaren schokoladenen, kleinen Kunstwerk zu erfreuen, dass man dann anschließend im Sessel am Kamin genießen kann, wenn draußen sanft der Schnee ans Fenster weht. Ich sank in die Knie… Was ist nur passiert? Ich hatte in der letzten Zeit so wenig getan… so wenig für andere, für mein Karma, oder sogar für mich. Und jetzt wär mir beinahe der Beginn der schönsten Zeit des Jahres entgangen. In dem Moment war ich unglaublich verärgert, obwohl ich noch nicht einmal richtig wach war. Ich musste etwas ändern. Als allererstes musste ich einen weihnachtlichen Großeinkauf machen. Ich musste meinen Ruf als Weihnachtsnarr wiederherstellen! Und ich musste unbedingt etwas Gutes tun – am besten sehr viel Gutes. Ich sollte mein Karma aufbessern und in den Feiertagen jedem, der mir was bedeutet, etwas helfen und ihm Gesellschaft leisten! Aber zuallererst… musste ich mich fertig machen.
Ich ging ins Bad, wusch mein Gesicht mit frischem Wasser und duschte mich anschließend. Wieder zurück bei meinem Bett kramte ich im Schrank, der daneben stand, und suchte etwas heraus, was meiner heutigen Stimmung gut entsprach! Ich nahm mir einen schwarzen Pullover, Jeans und meine schwarzen Chucks… Nichts Außergewöhnliches, dachte ich… Was solls. Ich zuckte mit den Achseln. Ich nahm mir meinen Anglerhut, der auf dem kleinen Tischchen, das sich nebem dem Bett befand, lag, und warf ihn mir lässig auf den Kopf. Er passte immer noch, dachte ich. Dann fiel mir ein, wie blöd der Gedanke eben war. Warum sollte mir der Anglerhut denn plötzlich nicht mehr passen..? Wieder geschockt von meiner eigenen Dummheit schüttelte ich den Kopf… Ich trat ins Wohnzimmer und bewegte mich langsam aber skeptisch zum Fenster, als ich beim Eintreten im Augenwinkel etwas ganz Seltsames bemerkte, womit ich garantiert nicht gerechnet hatte… Als ich näher ran ging, bewahrheitete sich meine Vermutung. Es schneite! Ich klebte fast mit der Nase am Fenster, so fasziniert war ich von dem Anblick. Es war nicht nur ein leises, langsames Schneerieseln, nein. Es schneite so wild und mit solch großen Schneeflocken daher, dass man meinen könnte, der Winter hätte es nun verdammt eilig, die ganze Landschaft in ein Winter Wonderland zu verwandeln. Es machte mich unglaublich glücklich diesen Anblick zu sehen. Ich freute mich immer wie ein kleines Kind, wenn der erste Schnee im Jahr da war. Was gibt es denn Schöneres? Begeistert von dem Anblick, konnte ich mich kaum vom Fenster losreißen. Zumindest solange nicht, bis mir aufgefallen ist, dass ich auch rausgehen könnte anstatt nur dumm am Fenster zu sitzen. Doch zuvor huschte ich noch schnell ins hintere Zimmer und nahm aus dem Schrank noch meinen hübschen, alten, schwarz-grau gestreiften Winterschal raus und wickelte ihn mir um. Die Chucks tauschte ich gegen etwas winterfestere, schwarze, kurze Stiefel ein. Jetzt endlich bereit stürmte ich aus dem Haus.
Es war wunderschön! Ich grinste so breit, dass es mir beim Betrachten des Schneefalls in den Mund schneite. Ich rieb fröhlich meine Hände. Was nun?, dachte ich. Aber natürlich! Der weihnachtliche Großeinkauf! Ich fragte mich nun ernsthaft, ob mit meinem Gedächtnis alles okay war… Ich ging noch einmal rein, holte meinen schwarzen mit zwei weißen Js bestickten Geldbeutel und eine schöne, große Einkaufstasche. Damit spazierte ich wieder raus und schloss hinter mir ab. Als ich mich so mit der Tasche ansah, dachte ich, man könnte mich so gleich für einen Penner halten, mit Anglerhut und großer leerer Tasche, die ich mit alten, leeren Flaschen fülle, die ich am Straßenrand finde, nur damit ich vom Flaschenpfand meinen Flachmann füllen kann. Das Einzige, was mir jetzt noch fehlte war ein langer, zerzauster und dreckiger Bart und zerrissene Klamotten, die ich aus einem Müllcontainer gefischt hatte. Das Bild vom lustigen Penner erheiterte mich in dem Moment sehr. Aber ich war kein Penner! Ich wollte einkaufen! Also ging ich in Richtung Hafen, den Strand entlang. Auf dem Weg holte ich einen kleinen Notizblock aus der Tasche und schrieb mir auf, was ich denn alles brauche. Weiße Weihnachtsbeleuchtung, einen Adventskranz, ein kleines Weihnachtsbäumchen, eine Weihnachtssocke für den Kamin… Moment, welcher Kamin?! Ach egal, dachte ich, ich häng sie mir einfach irgendwo an die Wand! Dann fiel es mir plötzlich ein! Ich wollte schon immer so einen fast schon klischeehaften Weihnachtspullover mit Rentieren drauf! Was noch… ich kratze mich am Kopf… Und da kam es mir in den Sinn! Ich brauchte eine schöne Weihnachtsmütze! Am besten in Schwarz-Grau… und auch noch eine Normale!
Ich kam bei meinem kleinen Boot an, nahm den Schutz runter und setzte mich rein. Winter und das weite Meer! Was kann man sich noch wünschen? Ich nahm die Ruder in die Hand und machte mich langsam auf den Weg zur Küste von Atlantis, nach Halunzia Hafen. Der Schneefall wurde weniger – die Wolken lockerten sich. Aber dennoch war alles sehr winterlich und der Blick aufs Meer und ebenso der Blick zurück nach Silvercoast Island sehr malerisch. Es dauerte nicht lange, bis ich die Stege des Hafens von Halunzia erreichte. Ich stieg aus dem Boot, band es am Steg fest und bedeckte es wieder mit dem Schutz. Wär ja dumm, wenn das Boot zuschneit und es absäuft! Ob das physikalisch möglich war, wollte ich mir jetzt im Kopf gar nicht durchdenken – ich band es einfach fest, wie immer. Halunzia war selbst bei dem Wetter relativ gut belebt, ich begab mich durch einige Seitengassen bis zur Hauptstraße und stieg in ein Taxi, das dort stand und auf Kundschaft wartete.
»Nach West Heela bitte.« »Jack! Was treibst du denn in West Heela?« Es war Judge Reggins! Der alte Taxifahrer, der mich nach Heela brachte, als ich das erste Mal auf Atlantis ankam. »Judge Reggins! So was! Lange nicht gesehen! Ich hab Weihnachtseinkäufe zu erledigen.. irgendwie hatte ich das in der letzten Zeit total verdrängt.« Er nickte verständnisvoll. »Soso. In Ordnung! Das geht aufs Haus! Oder.. aufs Taxi? Wie auch immer.« Plötzlich schoss er mit dem Fuß aufs Gaspedal und beförderte uns in Windeseile nach West Heela!
Der Supermarkt wirkte nicht nur von außen, sondern auch von innen sehr ansehnlich! Mit der leeren Tasche im Einkaufswagen betrat ich das Geschäft, wo mich eine sehr angenehme Wärme ereilte. Es war alles sehr weihnachtlich dekoriert, auch wenn das für mich jetzt kein neuer Anblick war, da die Geschäfte ja leider schon im November anfangen alles weihnachtlich zu dekorieren und höchstwahrscheinlich kann ich im Januar schon Osterdekoration sehen. Bei dem Gedanken kam mir nur Kopfschütteln.
Die Weihnachtsbeleuchtungen waren nicht sehr versteckt, also nahm ich mir gleich für jedes Fenster eine Lichterkette mit… Da musste ich erst einmal meine Kopfrechenkenntnisse auf die Probe stellen und mein Gedächtnis… Wie viele Fenster hatte ich überhaupt?! Eins.. zwei.. drei.. vier.. ahh es waren tatsächlich sechs! Sechs Packungen in den Einkaufswagen und weiter ging es. Ich packte mir einen kleinen Weihnachtsbaum, einen Adventskranz, zwei Adventskalender und noch etwas anderen Krams an Dekoration in den Wagen. Jetzt fehlten noch Weihnachtssocken, der Pullover und die Mütze! Die Socken fand ich… aber Pullover und Mützen gab es nirgendwo. Ich fuhr sicher dreimal an derselben Stelle entlang, aber irgendwie wollten die Sachen doch nicht auftauchen! Dann fuhr ich an einem Bereich vorbei, wo sich ganz viel Weihnachtsgebäck und Weihnachtsteesorten befanden! Mit einem Lächeln im Gesicht nahm ich mir einiges und warf es vorne rein. Als ich mich nach links drehte, sah ich einen alten Bekannten!
»Hey Enton! Auch am weihnachtlichen Großeinkauf?« Ich sah ihn plötzlich merkwürdig an… Wieso zum Teufel trug er einen Zeitungspapierhut auf dem Kopf? Ich mein, einem Penner würde der sicher gut stehen, aber Enton war im knallgelben Anzug. Wie immer, war er trotzdem recht wortkarg. Mehr als ein Ja gab er mir nicht als Antwort. Ich zuckte mit den Achseln und ging langsam zur Kasse. Hinter der Kasse saß eine Frau, bei der ich mich fragte, wie sie es überhaupt da rein geschafft hatte. Der Anblick erinnerte mich eher an einen Kuchenteig, bei dem man zwanghaft versuchte ihn in eine rechteckige Kuchenform zu quetschen. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie diesen kleinen, eckigen Bereich bis ins letzte Eck ausfüllte. Ich legte die Sachen aus meinem Einkaufswagen auf das Kassenband und sah der sehr voluminösen Frau zu, wie sie scheinbar angestrengt die Waren über den Tisch zog. Ich hatte so das Gefühl, dass sie schon allein beim Atmen schwitzen musste. Nach gefühlten zehn Minuten war sie dann fertig und nannte mir den Preis. Ich drückte ihr die Rupee-Scheine in die Hand und packte alles in meine Einkaufstasche und fuhr dann mit dem Wagen nach draußen. Zeit nach Hause zu gehen!
»Hey Jack! Sieh zu, dass du dir nicht die Beine brichst!«, sagte Chris, den ich bis dahin nicht bemerkte. »Warum sollte ich? Ich häng doch nur meine Beleuchtung auf!« »Ja Gott, da sind schon andere dabei gestorben!« Lachte er. Ich war gerade dabei unten die erste Lichterkette anzubringen. »Aber Chris, ich bin nicht mal auf ner Leiter! Außerdem bin ich drinnen.« »Verdammt, du hast Recht… Aber was ist, wenn das Haus abfackelt?« »Chriis, nicht mit dem Feuer spielen! Los raus! Oder hilf mir!« »Wollt nur ganz entspannt zugucken, während du dich abschuftest.« Chris lächelte ganz dumm. Dann nahm er aber eine Lichterkette und versuchte sie langsam am Fenster anzubringen. Nach einigen Minuten sah ich zu ihm rüber und bemerkte, was er mit der Lichterkette geformt hatte. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, er grinste aber nur wie ein Kind, dem man verboten hat, im Sandkasten zu spielen, es aber trotzdem getan hat. »Chriiiis, mach das wieder weg!« »In Ordnung…«, antworte er traurig.
Es dauerte nicht lange, bis alles angebracht und dekoriert war. Der erste Advent kann kommen! Weihnachtlich hab ich nun ausgesorgt, auch wenn ich keine Mütze und keinen Pullover bekommen habe. Als nächstes auf meiner Liste ist Chris dran! Ich muss was Gutes tun und ihn weihnachtlich unterstützen!
Kapitel 2
Flutendes Unglück
Zweiter Dezember! Der Erste Advent war da! Und so langsam machte sich auch die Weihnachtsstimmung breit. Mein Haus sah endlich etwas weihnachtlicher aus und diese langsame, schleichende Unlust schien sich endlich zu verabschieden! Doch meine große, imaginäre Liste an Dingen, die ich noch tun musste, war immer noch groß Genug! Fünf anderen Leuten hab ich noch zu helfen und der Heiligabend muss auch noch gerettet werden!
Ich sah aus dem Fenster und betrachtete den immer noch schönen, aber sanften Schneefall, der langsam herabfiel. Ich war nun bestimmt schon zum fünften Mal in der letzten halben Stunde am Fenster und sah für eine Zeit lang hinaus. Der Anblick war ungemein beruhigend. Vielleicht sollte ich ja mal raus gehen, anstatt nur dumm am Fenster rumzustehen! Ich zog mir meine Stiefel an und band mir meinen Schal um und ging dann anschließend auf die Veranda vor meinem Haus. Es war zwar ziemlich kalt, aber ich liebte diesen Geruch, der schon fast sagte: Hey! Weihnachten steht vor der Tür! Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Auf einmal zuckte ich zusammen, als ich ein lautes Scheppern und einen Schrei hörte, die von nicht weit weg kamen. Es kam vom Jasra Café! Ich stürmte die kleine Treppe runter und machte mich sofort auf den Weg. Der Schnee war relativ hoch, deswegen musste ich mühsam durch die große Masse quälen. Ich überquerte die kleine Brücke, die über den schmalen Bach führte, der vom Wasserfall der Klippen ausging, und erreichte schon bald den Eingang des Cafés. Ich riss die Tür auf und blickte mich hastig um, bis ich es plötzlich sah… Ich konnte mir mein Lachen nicht verkneifen, als ich Chris unter einem Haufen Kisten und Beleuchtung sah, die ihn schon fast wie einen Weihnachtsbaum schmückten. »Chris! Wie zum Teufel hast du das denn jetzt geschafft?!« Chris versuchte so gut wie möglich mich aus seiner Situation aus zu betrachten. »Zum Teufel, ich hab nur den verdammten Schrank aufgemacht und dann kam mir alles entgegen!« »Aber Chris, du sollst doch das Café dekorieren und nicht dich selbst!« Sagte ich lachend zu ihm. »Ja Gott, wenn man den Schrank seit Monaten nicht öffnet und nur immer was rein packt und nicht raus, dann rächt sich das eben! Das ist so, als ob man aufs Klo müsste aber es sich dann solange aufspart, bis es ein Unglück wird!« Sein Vergleich war zwar leicht widerlich, aber tatsächlich passend. »Wie wärs, wenn du mir hier lieber mal raushilfst anstatt, dass du nur dumm guckst!«, sagte Chris, als er mich so nachdenklich dort stehen sah. Ich ging hin und packte einige alte, halb zerknitterte Kisten weg und wickelte Chris aus seiner Beleuchtung raus. »Dankeschön!« Er klopfte sich kurz ab und sah mich dann wieder an. »Jetzt kann ich endlich das Café dekorieren!« »Ich werd dir helfen!«, sagte ich voller Elan, immerhin musste ich mein Karma aufbessern! Chris grinste breit, drehte sich um und wühlte etwas in einigen Kisten rum. Dann holte er einen riesigen Batzen an Beleuchtung raus und drückte ihn mir in die Hand. »Hier! Kannst das mal entzwirbeln?« So geschickt wie ich war, brauchte ich nicht mal zwanzig Minuten um alles sauber auseinander zu bringen.
Während Chris die Beleuchtung an die Fenster brachte, schmückte ich schon mal den Weihnachtsbaum. Als ich so in der Schachtel kramte, in der die Dekoration für den Baum drin war, holte ich etwas raus, das mich unheimlich freute. »Chris, du hast Dekoration in Form von kleinen Kackhaufen?! Das soll ich an den Baum packen?« »Haahahaa! Haltet mich doch auf! Ich kann mir auch Räucherwürste an den Baum hängen! Aber die werden leider zu schnell schlecht oder sowieso gleich aufgegessen. Aber so was hat doch niemand am Baum! Also wird es was Einzigartiges!«
Nach einer Weile sah der Baum sogar recht ansehnlich aus und die kleinen Kackhäufchen gaben dem ganzen noch eine sehr persönliche Note. Wir standen zu zweit mit verschränkten Armen vor dem Baum. »Herrlich! Nicht?«, sagte Chris begeistert. »Das ist der Geist von Weihnachten, Chris! Der Anblick ist erdrückend schön!« »Apropos, bei mir drückt grad auch was. Und das erinnert mich daran, dass ich dir mal die neuen Toiletten zeigen wollte, die ich bestellt hatte! Selbstreinigend und mit Sitzheizung! Uuund eine Hochdruckspülung hat das auch. Aber davon erzähl ich später mehr.« Chris ging recht eilig die kleinen zwei Stufen hoch und verschwand dann in die Toilette. Ich hatte mich kaum umgedreht um mich vor den Kamin hinzusetzen, da hörte ich plötzlich wie es rumpelte und krachte wie nix Gutes! »AHHHH AAACHTUNG!«, rief Chris unerwartet, kurz bevor es einen starken und lauten Rummser gab und ich eine Erschütterung an den Füßen spürte, die die Tassen und die Gläser auf den Tischen wackeln hat lassen. Was zum Teufel war da passiert?! In meinen Kopf traten plötzlich ganz seltsame Bilder, von Chris der so einen Mordsschiss hatte, dass es ihm die Schüssel unter dem Hintern zeriss. Der Gedanke brachte mich so zum Lachen, dass ich fast vergas, dass Chris vielleicht in Lebensgefahr steckte! Ich rannte zur Toilettentür, doch Chris kam mir zuvor und öffnete. Eine dichte, graue Rauchwolke machte sich im Café breit und Chris sah mich mit einem schwarzen, verrußten Gesicht hustend an. In der einen Hand hatte er einen abgebrochenen Pömpel. In der Anderen eine halb zerrissene, zusammengefaltete Zeitung. Ich wedelte mit der Hand den Rauch davon. »Was zum Teufel hast du gegessen, Chris?!« Er sah mich lachend an. »Meinst du ernsthaft, dass ich mit meinem Schiss das Klo weggesprengt habe?! Ich wollte die neue Hochdruckspülung testen, da fiel mir aber die Zeitung ins Klo, womit das System überhaupt nicht zurechtkam und plötzlich fing das wie wild an zu scheppern und rattern, als wollte sich das Ding selbstständig machen! Also hab ich versucht dagegen zu pömpeln, was aber leider nicht funktioniert hatte, weil das Klo den Pömpel aufgesaugt und in zwei gebrochen hatte! Danach sprang ich schnell aus der Tür. Ich konnte mich gerade noch so bei den Pissoirs in Sicherheit bringen!« Ich fand das so urkomisch, dass ich kein Wort rausbrachte, nur eine Mischung aus Lachen und Husten, weil immer noch alles qualmte. Als ich mich beruhigt hatte, sah ich ihn an. »Chris? Vielleicht sollten wir das System ausschalten.« »Sehr gut!«, sagte er, während er grinsend seinen Pömpelstil betrachtete. Wir gingen in eine Hinterkammer neben der Toilette und Chris deaktivierte die Wasserzufuhr und das neue System.
Nachdem wir alle Fenster öffneten, begaben wir uns zurück in die Toilette. Die Tür lag in zwei Teilen auf dem Boden, dahinter gefühlte hundert Stücke von dem neuen Klo, alles noch in Wasser getränkt. Die Wände der Toilette waren auch sehr in Leidenschaft gezogen. »Okay, Jack. Hilfst du mir kurz das sauber zu machen? Ich glaub ich halt‘s nicht mehr lange aus! Das verdammte Klo hat mich nicht mal scheißen lassen!«
Natürlich half ich Chris, wir besorgten uns Wischmopp und Eimer aus dem Nebenzimmer und säuberten alles bis ins letzte Eck. »Jack Jasra ist ein netter Mensch, das weiß doch jeder Mensch, heey das hat sich ja gereimt!« Chris freute sich unheimlich über seinen Erfolg. »Ganz toll, Mensch auf Mensch…« Als Chris merkte, wie dumm der Reim war, kriegte er sich vor Lachen kaum mehr ein. »Sieh uns doch mal an, Chris. Jetzt sind wir hier Kackwischer.« »Kackabwischer? Das ist doch total der undankbare Job, wenn man jemanden den Arsch abwischen muss. Wahrscheinlich auch noch total schlecht bezahlt.« »Chris, Kackwischer, nicht Kackabwischer! Aber ja, das wär tatsächlich der total undankbare Job.«
Nachdem wir alles sauber gemacht hatten und Chris dann auf einem anderen Klo sein Geschäft verrichtete, war es Zeit die Beleuchtung des Weihnachtsbaumes zu testen! »Chris? Willst du anstecken? So als Premiere in diesem Jahr! Ich geb auch Trommelwirbel dazu!«, sagte ich zu ihm voller Freude und Elan. Chris ließ sich das Angebot nicht abschlagen und suchte den Stecker der Beleuchtung. Nachdem er ihn fand, versuchte er ihn in die Steckdose zu stecken, aber irgendwie war das Kabel zu kurz. »Zu kurz? Warte eben.«, rief ich zu ihm, während ich einige Schritte weiter in einer Kiste ein Verlängerungskabel rausholte und Chris zuwarf. Chris nahm es zum anderen Kabel dazu und fummelte dann so lange rum, bis er sich selbst nicht mehr auskannte, was dazu führte, dass er letztendlich den Anfang der Verlängerung in das Ende steckte. »Oh Gott bin ich grad dumm, jetzt hab ich ne endlose Verlängerung erschaffen… Jack? Meinst damit kann man auch endlos Strom erzeugen?« »Und wo willst das jetzt anstecken in dem Zustand?« »Stimmt, das ist dumm.« Nach weiterem rumprobieren hatte er es endlich richtig hingekriegt. Ich machte mit dem Mund ganz komische Geräusche, was letztlich so wie Trommelwirbel klingen sollte, aber in Wahrheit wie ein Helikopter klang, der gerade am abheben war. Chris steckte ein und brachte den Baum zum Erleuchten. Es war ein wunderbarer Anblick! Chris kroch unter dem Baum hervor und sah ihn sich auch an. »Wow, er ist echt verdammt schön geworden. Hey Jack! Vielen Dank nochmal für die Hilfe. Es ist alles echt sehr schön geworden!« »Nichts zu danken! Alles doch für meinen guten Cousin Chris Jasra!«, sagte ich und legte meine Hand auf seine Schulter.
Mein Karma aufgebessert und einen weiteren Punkt auf meiner Liste abgehakt. Und ebenso wusste ich nun, was ich Chris zu Weihnachten schenken kann! Als Nächster ist Cosmo dran!
Kapitel 3
Eiskalt
Das musste eine halbe Ewigkeit her sein, seitdem ich das letzte Mal auf Freeja war! Es war schon eine faszinierende Insel, wesentlich größer als Silvercoast Island. Teils ein schönes Städtchen und teils auch unberührte Natur, ein mystischer Wald und ein riesiger Baum – wahrscheinlich der größte auf ganz Atlantis. Ich kannte noch den Weg zu Cosmos Haus, also ging ich das Stück zu Fuß. Es dämmerte leicht – gerade eben gingen die Laternen und die städtische Weihnachtsbeleuchtung auf den Straßen an. Es war ein sehr schöner Anblick und die Stadt war zu dieser Zeit relativ ruhig. Es war Dienstag, der vierte Dezember. Cosmo hatte sich richtig gefreut, dass ich ihn zu dieser vorweihnachtlichen Zeit besuchen wollte! Tja damit hatte er wohl nicht gerechnet! Der Wind wehte sanft an meinen schwarzen Schal vorbei, während ich die Straße entlang lief und mein Anglerhut wurde zart von einigen Schneeflocken berührt, die sich aber nicht darauf festsetzen konnten.
Es dauerte nicht lange bis ich bei dem Haus ankam, wo Cosmo wohnte. Ich stand vor der Tür und suchte an den Klingeln den Namen Jasra. Und nach gefühlten zehn Minuten hab ich ihn auch gefunden und drückte ihn. »Hallo?«, tönte es aus der kratzenden Freisprechanlange, die so klang, als ob sie noch aus Kriegszeiten stammte. »Hallo, wir sind von der Irrenanstalt Freeja und man sagte uns wir sollen hier einen Cosmo Jasra in Zwangsjacke abführen, können Sie mir da helfen?«, sprach ich in einer etwas tieferen Stimme in das Mikrofon. »Was zum?!« Kam nur kurz aus der Anlage. »Los Cosmo, mach schon auf! Ich bin’s!« »Jaaaack du Arsch! Hättest mich beinahe reingelegt!« Plötzlich surrte es laut und die Tür knackte plötzlich auf.
Ich ging das Treppenhaus hinauf, bis ich im zweiten Stock auf Cosmo traf, der mich erfreut begrüßte. »Jack! Lang nicht gesehen!« Er führte mich in sein bescheidenes Heim und schloss hinter mir die Tür zu. Ich fand auf dem ersten Blick kein Bett, also hatte ich plötzlich wieder ganz seltsame Bilder im Kopf von Cosmo, wie er sich quer auf den Fußboden legt und sofort einschläft. So wenig Anspruch wie der letzte Penner hätte ich auch gern, aber ich fragte doch lieber nach. »Cosmo? Wo zum Teufel schläfst du überhaupt?« Er zeigte mit dem Finger auf die Couch. »Da. Das kann man zu einem Bett transformieren.« »Zu nem Auto auch?« Auch wenn die Frage als Scherz gemeint war, sah ich vor meinem geistigen Auge schon Cosmo in seinem Bett wegfahren. Der Gedanke belustigte mich in dem Moment tatsächlich. »Neein?« Sagte er etwas distanzierend. »Was wollen wir zu dieser kalten Jahreszeit machen?«, fragte er. »Ein Eis essen!«, antwortete ich ihm scherzhaft, weil ich echt keine Idee hatte, was wir hätten tun können. »Super! Auf geht’s!« Ich sah ihn etwas misstrauisch an, aber er meinte es tatsächlich ernst! Es dauerte nicht lange bis Cosmo seine Jacke angezogen hatte und in der Tür stand. Warum nicht, dachte ich. Auch wenn es kalt war – ich lass mir mein Eis nicht nehmen!
»Zitrone, Melone, Cevapcici.«, antwortete Cosmo dem Eisverkäufer, als er ihn fragte, was er wolle. Der Mann hinter der Theke sah ihn sehr seltsam an. »Ham wa ned, was aners?« »Ja, Orange.«, sagte Cosmo leicht genervt, so als ob er jetzt richtig ausholen würde und sich noch darüber beschweren würde, dass der Eismensch kein Fleischgeschmack im Sortiment hatte. Als ich das kleine Schildchen sah, wo Zimt drauf stand, hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle und musste mir gleich vier Kugeln genehmen. Als ich davon probierte, war ich richtig glücklich. Was gibt es besseres als Zimteis?
Als wir so den Park entlang gingen, kam uns ein älterer Herr mit sehr stark ausgeprägten Augenbrauen im Anzug entgegen. »GUTEN MORGEN!«, schallerte er total laut durch den Park, sodass sogar Passanten zusammen schreckten. Er streckte Cosmo euphorisch den Arm entgegen und schüttelte dann wild seine Hand. »BÜRGERMEISTER HIER, WÜNSCHE EINEN SCHÖNEN GUTEN MORGEN! SEIEN SIE DOCH NICHT SO LAUT BITTE! DANKE!« Wir hatten noch gar nichts gesagt, aber Cosmo schien ihn tatsächlich als Bürgermeister von Freeja zu identifizieren. Mir reichte er auch die Hand. Nach der freundlichen und übereifrigen Begrüßung ging er auch schon weiter. Als wir so weiter gingen, konnte ich in der nächsten halben Stunde nicht richtig realisieren, was da überhaupt passiert ist. Was zum Teufel war das?! Hat Freeja so einen Bürgermeister? Naja… freundlich war er immerhin. Es wurde langsam wirklich kalt, also gingen wir zurück zu Cosmos Wohnung.
Ich verbrachte noch einen Tag bei Cosmo, an dem wir noch mehr Unsinn unternommen hatten. Cosmo hatte im Wald im Schnee einen Flaschendeckel angezündet, hatte seine Sofalehne gefüttert und am Schluss waren wir noch sehr gut Essen! Danach machte ich mich wieder auf nach Silvercoast Island. Ich hatte gerade Lust dazu Radio zu hören, also schaltete ich den Freeja 4 Sender ein. Irgend so ein irrer Typ laberte mit irgendwelchen Leuten mitten in der Nacht. »Hallo. Wer ist da?« »Hallo, Cosmo Jasra.« Was zum?! Cosmo war im Radio? »Cosima? Nein, Cosmo. Und die Jasra?« »Nein, Cosmo Jasra. Cooosmoo Jaaasraaah! Du hattest nämlich letztens schon meinen Namen falsch ausgesprochen!« »Achso… okay.. und, deswegen rufst du an?« »Jap, muss doch mal geklärt werden.« »Whatever, ich glaub ich kanns mir sowieso nicht merken.« »Kann ich noch jemanden grüßen? Oder geht das hier nicht?« »Doch klar!« »Gut, dann grüße ich meinen Bruder Steffen aus Andora City und Chris aus Silvercoast Island und Jack, der mich die letzten Tage extra besuchen kam! Allen ein frohes Weihanchtsfest!« »… Okay..« »Danke! Dann Tschüss!« »Ja, Tschüss!« Cosmo war echt so dreist und hatte im Radio angerufen! Ich denke ich habe auch hier mein Karma erfüllt. Als nächstes auf der Liste stand Nylo Jasra! Der kann was erleben!
Kapitel 4
Kaminfeuer
Nur noch zwei Tage bis Weihnachten… und ich habe mein Karma noch nicht ganz erfüllt. So langsam wurde es Zeit, was zu tun! »Ding dong! Herr Breitschwengel bitte an Kasse drei, Herr Breitschwengel bitte.« Chris öffnete und sah mich leicht genervt an, doch lachte dann. »Herr Hurenschniedel, der kleine Rüdiger wartet bei der Info auf Sie, Herr Hurenschniedel bitte.« »Chris! Lass uns aufbrechen« »Was? Wohin?!« Er sah mich ziemlich verwundert an. Immerhin kam ich so aus dem Nichts und wollte mit ihm aufbrechen. Und wohin überhaupt? »Nach Nordhalunzia! Wir statten Nylo einen Überraschungsbesuch ab. Und danach ab zu Borf, äh Birf. Und dann stoffeln wir zu viert in der Stadt umher.« Chris sah kurz nachdenklich nach oben. »Sehr gute Idee, hätte von mir kommen können!« »Hat es aber nicht! Hah! Was sagst du nun!« Chris war total in Fahrt. »Ohhh! Du Stück! Aber ja, ich hatte eh nichts zu tun. Also auf auf! Ich mach mich nur noch schnell fertig,« »Ich kann dich auch fertig machen, wenn du möchtest.«, sagte ich grinsend zu ihm. »Duu wagst es!« Gab er mir zurück und verschwand dann in seinem Zimmer.
Nachdem Chris sich umgezogen hatte und bereit war, gingen wir in Richtung Hafen, wo mein kleines Ruderboot sanft in den Wellen wiegte. Wir sprangen schnell rein und machten uns auf den Weg nach Süd-Halunzia.
Das Wetter war wunderschön – hier in der wäldlichen Gegend von Nord-Halunzia besonders. Es lag viel Schnee, die Sonne scheinte und so langsam ging mir auch die Geduld aus. Ich klopfte noch einmal. »Wenn er nicht aufmacht, dann tret ich die verdammte Tür ein!« »Ruhig, Jack. Wenn du noch ein paar Mal so fest anklopfst, kommst du sowieso durch die Tür durch.« sagte Chris total gelangweilt und entspannt. Seine Gelassenheit hätt ich grad auch gern, dachte ich eben. Ich setzte noch ein letztes Mal mit der Faust zum enthusiastischen Klopfen an, bevor mir endgültig der Kragen geplatzt wäre, als plötzlich mit einer Wucht die Tür aufschellerte und ich beinahe Nylo um einige Zähne erleichert hätte, wäre meine Reaktionszeit etwas schlechter gewesen. Erschrocken wich er zurück. »H-Hallo..?« Ich grinste ihn an. »Ahh Nylo! Hallo!« Chris reichte ihm fast schon auf militärische Weise die Hand und schüttelte sie übertrieben kräftig. »Kameraad, stillgestanden!« Nylo salutierte Chris, der ihn dann lachend ansah. Plötzlich änderte ich meine Mine von lachend auf böse. »Nylo! Warum hat das so lang gedauert, du Arsch!« »Ich war.. einen Bolzen schießen.« »Einen Bolzen schießen?«, fragte Chris. »Ja.. naja.. einen Gruß an die Stadtwerke schicken!« »… Was?«, fragte ich. »Na die Keramik sprengen! Ne Stange Lehm aus dem Kreuz drücken!! Eine Sitzung abhalten!!! Herrgott ich war scheißen!« »Achsooo.«, meinte Chris während er die Augen rollte. »Sags doch gleich!« »Jaa, deswegen konnte ich nicht schneller. Was gibt’s denn?« »Wir wollen mit dir und Birf etwas durch die Stadt. Bist du dabei?« Er überlegte kurz, willigte aber dann auch ein.
Es dauerte auch nicht lange bis Nylo fertig war, dann liefen wir zu Fuß in Richtung Norden. Es war vielleicht eine halbe Stunde Fußweg bis zu Birf – aber die Zeit nahmen wir uns an dem schönen Tag. Rechts neben uns befand sich ein großes Feld mit viel Schnee, gleich angrenzend an ein Stück Wald. Chris stapfte im Schnee und rannte einige Meter nach vorne, wo er sich zwei Schneebälle machte und sie, mit sogar löblicher Präzision auf uns beide warf. »Jetzt reeeichts!« Rief ich zu Chris und bewarf ihn ebenso mit Schneebällen. Es wurde eine regelrechte Schneeballschlacht, bei der die Schneebälle wie Granaten durch die Luft flogen. Nach kurzer Zeit wurde es aber doch sehr erschöpfend, also beschränkten wir uns aufs Schneemann bauen. »Das Wetter bietet sich doch wunderbar dafür an, sich wie vorpubertäre Kinder zu verhalten und im Schnee zu wühlen!«, meinte ich, während ich den Körper des Schneemanns rollte. Nylo machte gerade die zweite Kugel. »Ül, mach mal schneller.«, rief Chris. Ich drehte mich zu ihm rüber und sah, was er gerade tat. »Chriiiis, was machst du da schon wieder! Wenn das einer sieht, sperren die uns doch sofort ein!« Chris machte sein Schneebauwerk sofort unkenntlich und machte dann den Schneemannskopf. Nachdem wir ihn zusammengesetzt hatten, standen wir stolz in einer Reihe davor. »Wunderschön, nicht?«, meinte ich zu Chris. »Jap, was meinst du, Nylo?« »… Er hat noch keine Augen… Nicht nur das. Er hat im Prinzip gar nix, was ihn überhaupt etwas menschlich machen würde. Es sind ja nur drei Schneekugeln übereinander.« Jetzt wo er es sagte, packte mich doch leicht der Schock. Er hatte vollkommen Recht! Aber wir hatten leider nichts, was wir ihm aufsetzen konnten, also gingen wir einfach weiter in Richtung Birfs Haus.
»Ich spür meine Füße nicht mehr.«, sagte Nylo, der schon total genervt vom ganzen Weg war. Noch mehr nervte mich aber dieses Genörgel. »Dafür spürst gleich meine Faust!« Chris fing an heftig zu lachen und wär dabei fast gestolpert. »Wir sind ja schon da!«, sagte ich beruhigend, als ich die alte Mine von Nordheela sichtete. »Warum zum Teufel hatte sich Birf eigentlich das Haus direkt neben der alten Mine geholt?« »Ich nehm an, es war günstig. Der Rest ist mir auch schleierhaft. Aber naja, jedem das Seine, mir das Meiste!« Birf hatte in den Mineneingang eine kleine Scheune eingebaut. In die Mine selbst kann man schon seit Jahren nicht mehr. Nichtsdestotrotz hat Birf nun total dieses Image abbekommen. Gerade als wir anklopfen wollten, öffnete er schon. »Ja hallo! Was macht ihr denn hier?«, sagte er ziemlich erstaunt. »Na Birf? Heute schon im Bergwerk gewesen?«, fragte ich scherzend. Birf lachte »Jap, viel Kohle dabei gemacht.« »Mister Borf, los! Sie müssen sofort mit uns kommen und einen Stadtbummel unternehmen!« »Aber..« »Nix aber!«, sagte Nylo halb erbost. »Hmm, warum nicht.« »Genau, du Gangster, kannst ruhig mal nen Abend mit deiner Verwandtschaft verbringen!« Birf grinste und ging dann wieder hinein um sich fertig zu machen.
Es wurde ganz langsam etwas dunkler und die Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen von West-Heela gingen an. Mittlerweile schneite es ganz leicht – es war ein wunderschöner Anblick. Überall waren Lichter angebracht, es lag Schnee und es waren so viele fröhliche Menschen hier. Hier auf dem Markt roch es wunderbar nach Lebkuchen, Zimtsternen und sonstigen, weihnachtlichen Gerüchen, die ich nicht identifizieren konnte. Ich wollte mir unbedingt Zimtsterne holen, also ging ich zum nächsten Stand und bestellte mir dort welche. Als ich nach rechts sah, war ich ziemlich überrascht! »Hey Steffen! Du bist ja auch am Weihnachtsmarkt!« »Hey Jack! Chris, Nylo, Birf! Ja, bin schon etwas länger in der Stadt, dachte mir schon fast, dass ihr auch alle vorbei kommt. Wann wollt ihr wieder nach Hause?« »Etwa in ner halben Stunde.«, antwortete Chris. »Nett! Dann können wir ja gemeinsam zurück nach Silvercoast Island.« »Klar doch.«, sagte ich ihm freundlich und klopfte ihm auf die Schulter. Steffen begleitete uns nun auch! »Nylo, Birf? Wollt ihr nicht auch mit nach Silvercoast Island? Wir könnten es uns vor dem Kaminfeuer gemütlich machen und alte Geschichten rauskramen!« »Jetzt, wo schon alle da sind, werd ich ja wohl nicht nein sagen!«, meinte Birf. Nylo stimmte auch zu.
Wir gingen noch ein schönes Stück den Markt entlang. »Gott, ich liebe diese Weihnachtsmärkte. Gib dir diese geilen Gerüche, all das Zeug, was man hier fressen kann. Ich könnt jemanden die Zähne ausschlagen, so sehr freut mich das grad!!«, sagte ich voller Enthusiasmus. »Es ist wirklich wunderschön hier. Es wirkt alles so fröhlich und lebendig. Obwohl das eigentlich kalt und winterlich und dunkel ist, ist hier an dem Ort so eine wunderbare Wärme und Sicherheit.« »Nur Räucherwurst haben die hier nicht.«, sagte Birf. »Birf, das ist hier ein Weihnachtsmarkt und kein Fleischer! Herrgott.«, meinte Nylo. »Ich will trotzdem Räucherwurst! Sofort!« Bevor die zwei sich in die Haare kriegen würden, schritt ich ein. »Stop! Sonst gibt’s kein Leckerli! Pfui aus!«, sagte ich. Chris musste darauf so lachen, dass er ziemlich böse Blicke von Nylo und Birf auf sich zog.
Nach etwa zwanzig Minuten machten wir uns wieder zum Hafen von Halunzia auf.
Es war mittlerweile schon dunkel geworden, aber die Hafenbeleuchtung sorgte für genug Licht – und auch für genug weihnachtliche Atmosphäre. Da wir uns nicht zu fünft auf mein kleines Ruderboot stopfen konnten, verteilten wir uns auf Steffens und mein Boot. Birf fuhr bei mir mit und Chris und Nylo bei Steffen. Da es schon dunkel war, machte ich die Laterne an, die sich in meinem Boot befand. Als wir losfuhren, fing Chris wieder an laut Unsinn zu rufen. »LOS! Lasset uns ein Schiff entern! Die Welt besegeln! Frauen aufreißen!« »Chriiis nein, wir wollen nur nach Hause. Du kriegst deine Medizin später!«, rief ich zu ihm rüber. »Oh okay.« Sagte er lachend.
Chris stellte sich vor die Tür des Jasra Cafés und gab uns das Zeichen, dass wir aufmerksam und still sein sollen. Es brannte Licht im Jasra Café! Chris war sich sicher, dass kein Licht brannte, als er es verließ. Er öffnete langsam die Tür, die unverschlossen war. War jemand eingebrochen?! Als Chris hineinlugte, sah er, wie sich jemand zu ihm umdrehte. »Hat aber lange gedauert! Ich bin hier schon seit ner Stunde!« Es war eine sehr vertraute Stimme, die sprach. Chris atmete tief aus und öffnete die Tür breit. Wir gingen alle hinein. Es war Cosmo! Und er hatte Feuer im Kamin gemacht! »Cosmo! Du bist ja auch da!«, sagte ich sehr verwundert, aber doch erfreut. »Na freilich!« Wir begrüßten uns alle und setzten uns neben den Überraschungsgast ans Kaminfeuer.
»Tja, das war wohl ne Adventszeit, was?« »Oh ja…«, sagte Chris, »teilweise ziemlich.. scheißebehaftet? Aber im großen und ganzen doch sehr schön! Hier auch ein Lob an Jack, der mir bei der Weihnachtsbeleuchtung geholfen hat und den Baum geschmückt hatte. Und.. die kleine Explosion auf dem Klo beseitigt hatte..« Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, doch bevor ich was sagte konnte, sprach schon Cosmo weiter: »Von mir auch! Immerhin hat er den weiten Weg genommen und mich einfach so in Freeja besucht! Waren auch sehr nette Tage, deswegen bin ich jetzt auch mal auf Besuch!« »Ich muss mich auch bei Euch bedanken. Ohne Euch wär die Adventszeit ja nicht so spannend und abwechslungsreich gewesen! Außerdem freu mich ich mich doch immer helfen zu können.«
Wir erzählten uns noch den ganzen Abend viele Geschichten und es wurde auch ziemlich viel gelacht. Nylo verbrachte die Nacht in Chris Gästezimmer und Cosmo und Birf in meinen beiden Gästezimmern. Der Tag war ziemlich gelungen und ich hab endlich wieder den Geist der Weihnacht gespürt, der mir so lange gefehlt hatte. Ob ich mein Karma komplett aufgebessert habe? Ich weiß nicht. Auf jeden Fall ein Bisschen. Aber das hat mir vollkommen gereicht. Alle waren da und sogar Cosmo hatte uns überraschend besucht. Weihnachten konnte jetzt also ruhig kommen! Ho ho ho!