Aufbruch nach Atlantis

geschrieben von Jack Jasra

Kapitel 1
Eine Schaurige Ankunft


W ährend mir einige Tropfen ins Gesicht fielen, blickte ich hinauf zum stürmischen Himmel, der mit den verschiedensten Grautönen gefüllt war. Malerisch kollidierten dunkle, riesige Wolken miteinander und entfalteten ihren Zorn mit grellen Blitzen, die die Nacht erhellten und sich mit einem tiefen, erschütternden Donner niederlegten. Die unruhige See schlug sich an mein kleines Rettungsboot an und verteilte die Seegischt auf dem Deck, sodass das morsche Holz für einen kurzen Moment den tristen Himmel spiegelte. Ich nahm meinen durchnässten Anglerhut vom Kopf und drückte so viel Wasser heraus, wie meine Arme gerade an Kraft boten. Schon etwa zwei Stunden treibe ich hier auf den Gewässern zwischen meiner Heimat Zeron und Atlantis. Früher nannte man den seranischen Ozean das Schicksalsmeer. Noch bevor man Atlantis entdeckte, glaubte man, dass sich dahinter das Ende der Welt befinden würde. Jetzt zumindest sollte dies aber immerhin das Ende dieser unangenehmen Bootsfahrt sein. Flammen taten sich vor meinen Augen auf – schon die ganze Zeit gehen mir diese Bilder nicht aus dem Kopf. Ich konnte es nicht fassen, wie das Leben innerhalb von wenigen Momenten seine Richtung komplett änderte – wie die Straße des Schicksals dich eine Klippe hinunterführt und man Mühe hat weiter zu gehen… Ich schloss kurz die Augen und sah es bildlich wieder vor mir. Eine riesige Explosion erhellte den Nachthimmel von Dreams Hollow – meiner Heimatstadt. Malon, meine Schwester, und mein Bruder Zelos starrten voller Schock auf die brennenden Überreste von dem Haus, in dem wir unsere Kindheit und das ganze Leben verbracht hatten. Feuer. Asche. Rauchwolken überall. Meine Eltern… Sie waren in dem Haus. Bei dem Gedanken, ihnen könnte etwas zugestoßen sein, lief es mir eiskalt den Rücken runter. Die Feuerwehr fand nichts in den Trümmern… Es war eine viel zu kräftige Explosion. Du fragst dich sicher, was ich hier vor der Küste von Atlantis in einem Rettungsboot mache, wenn doch mein Haus abgefackelt ist, was? Ich sah, wie jemand meine Schwester Isi entführte. Nicht weit von der Explosion zerrte jemand meine Schwester in Richtung Hafen! Ich hatte keine Zeit, die Polizei zu rufen, deswegen machte ich mich selbst auf den Weg und verfolgte den Entführer, während Malon und Zelos noch bei dem Haus blieben. Zu meinem Pech war dieser schnell. Sehr schnell. Er begab sich an Deck eines Passagierschiffes, was sich auf den Weg nach Atlantis machte. Das Personal war gerade nicht da – so betrat er mit Isi das Schiff. Wer zum Teufel war das?! Und warum entführte er Isi? Ich hatte keinen blassen Schimmer, was die ganze Geschichte sollte. Aber jetzt, nachdem mein Haus zerstört wurde, konnte ich es auf jeden Fall nicht zulassen, dass Isi auch noch etwas zustößt. So ging ich ebenfalls auf das Schiff und versuchte so gut es ging, den Entführer zu suchen. Leider konnte ich mich auch nicht so frei bewegen, da ich mich nur auf das Schiff geschmuggelt hatte. Ich wartete ab – bis sich etwas tat. Und tatsächlich. In der nächsten Nacht sah ich, wie ein Rettungsboot sich davon machte – zur Küste von Atlantis. Ich tat das Gleiche und blieb auf sicherer Distanz. Ich öffnete meine Augen wieder. Nun war ich hier. Jack Jasra. Auf einem Rettungsboot nach Atlantis – um meine Schwester zu retten. Meine Heimat wurde zerstört – und ich wusste noch nicht einmal wieso und was das wahre Schicksal meiner Eltern war. Ich konnte mich zusammenreißen, weil ich immer noch die Hoffnung in mir trug. Jetzt steuerte ich auf einen Kontinent zu, der mir fremd war. Und auf dem ich ein Fremder war. Gerade blieb mir nicht sehr viel bis auf die Hoffnung, Isi zu finden – und meinen Glücks-Anglerhut, der mir aber tatsächlich nicht sehr viel Glück brachte im Moment. Und natürlich Rache. Jemand hat mein Leben zerstört und meine Familie zerrissen. Irgendwer musste nun dafür bezahlen. Und ich hatte ein gutes Gefühl, dass ich diesem jemand auf die Fersen bin. Langsam aber sicher drang der Regen durch meine Kleidung und ein leichtes Zittern ereilte mich in der Kälte. Der Wind pfiff ein trauriges Lied über die Wellen der unruhigen und dunklen See. Das Boot knirschte und knarzte an allen Enden und Ecken. Ich wusste nicht, wie lange es noch halten würde, aber ich hoffte, dass die Zeit reicht. Mein verregneter, alter Holzkompass bestätigte mir, dass ich mich immer noch auf dem richtigen Kurs befand. Mir fielen langsam die Augen zu, der Schlaf packte mich. Die letzte Zeit war ziemlich zermürbend für mich. Doch ich musste mich zusammenreißen, um lebend an Land zu kommen. Ich wandte meinen Blick wie gewöhnlich so knapp alle fünf Minuten gegen den Horizont, um von meiner Hoffnung wieder ein winzig kleines Stück zu nehmen. Diesmal ergab sich aber ein anderes Bild vor meinen Augen. Ein kurzer, dunkler Streifen machte sich am Horizont sichtbar. Erschrocken zuckte ich in meinem Ruderboot zusammen. Mag das schon die Küste von Atlantis sein? Auf einmal kam die ganze Kraft zurück, die mich während der ganzen Fahrt nach und nach verließ. Hastig griff ich nach einem Ruder und fing an zu paddeln. Das Unwetter beruhigte sich nicht, aber das störte mich nicht weiter, da ich scheinbar meiner Schwester doch ein Stück näher gekommen war. Je größer dieser anfangs kleine, schwarze Strich wurde, desto größer wurde meine Freude. Nach einer Weile machte sich die breite Küste von Atlantis vor mir auf, ebenso wie der Hafen dort. Das Licht des Leuchtturms blendete mir in die Augen, so dass ich den Arm vor meinem Gesicht hielt.

Kapitel 2
Irres Grinsen


F ester Boden unter den Füßen… endlich. Ich war an der Küste von Atlantis angekommen. Land soweit das Auge reichte. Es war zwar Nacht, doch die Silhouetten des Festlandes lieferten mir ein eindrucksvolles Bild. Ich zog mein Boot mit Mühe an Land und wischte mir dann das Gemisch aus Schweiß und Regen mit meinem ebenfalls durchnässten Ärmel von der Stirn. Es hörte nicht auf zu gießen… Ich neigte meinen Kopf etwas nach unten und schloss meine Augen… Ein Grinsen machte sich plötzlich auf meinem Gesicht breit. Ich hatte es tatsächlich geschafft! Noch bestand Hoffnung. Aber wo sollte ich nur hin? Da ich den Entführer schon viel zu lange aus den Augen verloren hatte, musste ich ihn nun leider selbst suchen. Ich hing mir meine Umhängetasche quer über die Schulter und bewegte mich in Richtung der Hafenstraße. Eine kleine, vermoste Holztreppe in der Nähe des Strandes führte mich in eine kleine Gasse zwischen mehreren Häusern, schwach beleuchtet von dem gedimmten, orangenen Licht der Fenster, das einen wunderschönen Kontrast zur leicht bläulichen Nacht gab. Als ich die nächtliche Atmosphäre für einen kurzen Moment bewunderte, fragte ich mich, wie spät es wohl ist. Wahrscheinlich viel zu spät – aber es spielte sowieso gerade keine Rolle. Die Luft war frisch, der Wind wehte leicht zwischen den Häusern durch. Ich ging weiter, an Kisten, Fässer und einigen Mülltonnen vorbei. Dann bog die Gasse nach links ab. Plötzlich knackte hinter mir etwas! Ich drehte mich schnell um. Eine weiße Katze sah mich kurz fragend an, aber suchte dann schnell das Weite. Seltsam, dachte ich. Ich drehte mich wieder um und fuhr plötzlich erschrocken einen Schritt nach hinten.
» Mr. Jasra. Ihr seid endlich auf Atlantis angekommen. « Vor mir stand ein Mann im Anzug – einen Regenschirm in der Hand. Ich sah nicht viel von seinem Gesicht, weil das Licht von hinten blendete. Dünner Nebel fuhr an unseren Füßen vorbei, leicht angeleuchtet von den Laternen des Platzes, der sich nicht weit vor mir befand. Was ich erkennen konnte, war ein gräulicher Bart, etwa schulterlange, leicht wellige Haare und ein wahnsinniges Grinsen. » Ihr seid auf der Suche nach Eurer Schwester.. und nach Rache, habe ich Recht? « Ich sah ihn geschockt an. Woher zum Teufel wusste er das? Und… warum bediente er sich so einer mittelalterlichen Anrede?
» Wer.. sind Sie? Und woher kennen Sie überhaupt meinen Namen?! « Er sank den Kopf etwas.
» Ein Freund, Mr. Jasra. Ich weiß ziemlich viel über Euch. Hört mir genau zu. In Heela findet Ihr Hilfe. Nehmt Euch ein Taxi oder geht zu Fuß. Oder fliegt von mir aus. Oder kriecht dorthin. Aber tut es! « Langsam hatte ich das Gefühl, dass das wahnsinnige Grinsen doch etwas aussagte.
» Und an wen soll ich mich wenden, sollte ich nach.. Heela gehen? « Er grinste plötzlich noch wahnsinniger
» Das, Mr. Jasra, weiß ich selbst nicht. Aber Ihr werdet es früh genug sehen! « Langsam wurde mir etwas mulmig.
» Sie.. gehören doch nicht zu dem, der meine Schwester entführt hat?! « Dann sah er mich leicht verärgert an.
» Wollt Ihr mir unterstellen, so ein Barbar zu sein? Ein Entführer und Brandschatzer? Nein, ich bin ein Freund. Und als Beweis dafür, gebe ich Euch dies hier. « Er kramte kurz in seiner Jackentasche und reichte mir dann seine Hand. Es war ein schwarzer Schlüssel, vermutlich aus Obsidian. » Dieser Schlüssel öffnet Euch die Türen, die Ihr aus Selbstlosigkeit, Tugendhaftigkeit und aus guten Absichten heraus öffnen wollt. Deswegen denkt erst gar nicht daran, damit irgendwo einzubrechen um leichtes Geld zu machen. Aber er wird Euch sicher behilflich sein. Außerdem möchte ich ihn irgendwann wieder! Nun geht, Eure Schwester wartet. Und bevor ich’s vergesse: Ihr müsst die Gaststätte aufsuchen, die sich Colagruft nennt. « Ich drehte mich kurz um. Colagruft? Was für ein seltsamer Name. Und das soll also ein Schlüssel sein, der mir alle Türen öffnet? Es klang sehr stark nach einem wirren Voodoo-Zeug. Aber nach Heela gehen klang trotzdem nach einer guten Idee, wo sollte ich denn sonst schon hin?
» Danke für den… « Als ich mich wieder umdrehte, war er plötzlich verschwunden… So schnell wie er auftauchte, war er also wieder weg. Moment… hatte ich mir das nur eingebildet? Dann sah ich runter. Nein. Ich hatte noch den schwarzen Schlüssel. Ich packte ihn in meine Tasche und ging dann die Straße weiter entlang. Es regnete immer noch – aber nicht mehr so stark wie vorher. Nicht weit weg vom Platz war eine größere Straße – am Straßenrand befand sich ein Taxi. Freudig ging ich mit schnelleren Schritten hin, die aber plötzlich langsamer wurden, als ich erkannte, wie heruntergekommen das Taxi aussah. Nach kurzem Zögern entschied ich mich aber doch, das Taxi zu betreten. Als ich mich hinsetzte, befand ich mich bereits in einer so dichten Rauchwolke, dass ich kaum etwas sehen konnte.
» Verzeihung! «, sagte eine raue Stimme und kurbelte hastig das Fenster auf. Nach und nach wurde die Luft besser und ich konnte auch schon den Fahrer erkennen. » Wo soll’s hin, Jungchen? « Noch etwas vom ersten Eindruck verwirrt antwortete ich.
» Nach Heela, bitte. Zur… Colagruft. « Mit einem Satz jagte er seinen Fuß auf das Gaspedal, was uns beide in den Sitz reindrückte. Mit quietschenden Reifen fuhr er die Straße entlang.
» Siehst ziemlich durchgenässt aus. Hat dir deine Mutter nie gesagt, dass man einen Regenschirm mitnimmt, wenn es regnet? Häh? Na? « Dann lachte er mit einer verrauchten Stimme. Er hatte einen Dreitagebart und einen längeren Schnurrbart. Auf dem Kopf trug er eine typische Arbeitermütze.
» Tja, lange Geschichte. Hatte einen weiten Weg. «
» Das lobe ich mir! Anständige Arbeit nennt man das! Zu meiner Zeit hättest dafür nen Orden bekommen! Das waren noch Zeiten, damals im Bergwerk. « Beim Reden verbreitete er einen leichten Geruch von Alkohol im Taxi. Er sah verträumt nach oben. Für einen Moment dachte ich, er würde uns in einen Baum lenken. Aber dann huschte er in seinen Taschen herum und kramte eine dicke Zigarre raus, die er sich dann gleich daraufhin anzündete. » ‘Tschuldigung. Das Nikotin ruft. « Die Straße ging durch ein längeres Stück Wald, bis wir am Stadtrand von Süd-Heela ankamen. Plötzlich fuhren wir über eine rote Ampel und links und rechts von mir hörte ich Autos hupen. Der Taxifahrer hat das nicht einmal mitbekommen und sah stolz nach vorne. » Ich könnte mich wieder aufregen! Diese verdammten Autofahrer, die immer rücksichtslos durch die Gegend fahren! Die hätten mich ja treffen können, sind die denn wahnsinnig?! Gleich schellerts wirklich! Und diese verdammten Arbeiterkinder, die keinen Respekt haben vor den Älteren. Aber du scheinst mir nicht so einer zu sein! « Er wartete nicht einmal eine Antwort ab. » Aber mir wird schon nichts passieren! « Er deutete auf das offene Handschuhfach. » Siehst du, das ist mein Glückswurstbrett! Das hat mir schon immer Glück gebracht! Das hab ich von Oma Frederike bekommen. Auf dieses Wurstbrett kam bisher nur die beste Räucherwurst. Merk dir das Junge, Räucherwurst. Räucherwurst!!! « Dann riss er plötzlich das Lenkrad stark nach rechts und bog mit Schwung in die nächste Kurve. Währenddessen drehte er das Fenster auf und warf die halb gerauchte Zigarre aus dem Fenster. » Wie heißt du überhaupt? « Angespannt hatte ich mich in dem Sitz verkrallt und versuchte normal zu antworten.
» Ähm.. Jack Jasra. «
» Wunderbar! Ein anständiger Name! Judge Reggins. Ja richtig. Und wenn du‘s falsch aussprichst, dann brat ich dir eins rüber! « Dann lachte er ziemlich verrückt. Ich konnte nicht richtig deuten, ob er das ernst meinte oder ob das nur ein sehr schräger Humor war. Er trat plötzlich stark ins Gas. » Weißt du, meine Frau Herta sagte immer, das Leben ist hart. Und sie hat vollkommen Recht! Früher musste man sich alles hart erarbeiten, ich könnte so in die Luft fahren! « In seiner Rage trat er noch etwas mehr ins Gas. Mitten im Satz machte er eine Vollbremsung, lenkte scharf nach links und zog die Handbremse. Mit einer Wucht wendete er und brachte das in Mitleid gezogene Taxi an den Straßenrand. » Wir sind da! Heela, Colagruft. Das macht dann fünf Rupees. Und keinen mehr, sonst sehen wir uns vor Gericht wieder! « Schon wieder legte er seinen Kopf zurück und lachte wild. Ich versuchte mit zu lachen und reichte ihm leicht nervös das Geld. Als ich ausgestiegen bin, fuhr das Taxi wieder mit einem Affenzahn davon. Ich war in Heela angekommen. Bei Nacht zumindest sah die Stadt sehr schön. Die Laternen wirkten bei dem leichten Nebel schon fast malerisch. Die Colagruft und ein kleiner Laden erhellten die dunkle Nacht mit ihren kleinen Lichtern und beleuchteten Schildern. Es war ein schöner Anblick, trotz des Wetters. Ach, vielleicht sogar wegen des Wetters. Direkt vor mir befand sich also die Colagruft. Jetzt konnte ich auch sehen, warum sie so heißt: Das komplette Café war in die Klippe hinein – wie eine Höhle oder Gruft eben. Jetzt war ich in Heela, mitten in Atlantis und kam meinem Ziel immer näher!

Kapitel 3
Colagruft


M eine Kleidung war schon wieder etwas angenehmer zu der Zeit als ich das kleine, urige Café namens Colagruft betrat. Es war ziemlich belebt jetzt am Abend. Viele Leute saßen an einem sehr großen Tisch in dessen Mitte ein kleiner Teich eingebaut war. Auch die kleineren Tische waren besetzt mit Menschen, die sich lachend unterhielten oder sich grunzenden ein Bier kippten. Ich wusste nicht genau, mit wem ich reden sollte oder was ich hier überhaupt tun sollte. Ich dachte es wäre erstmal eine gute Idee sich einen Drink zu bestellen. Ich setzte mich an den Tresen, als der etwas dicklichere, bärtige Barkeeper zu mir kam.
» Was darf’s denn sein? «, sagte er mit einer tieferen Stimme.
» Ähm… Cola? « Er lachte grunzend und knallte mir ein Glas mit Eiskugeln drin auf den Tresen und füllte entspannt etwas Atlantis Cola ein. Ich nippte kurz daran. Tatsächlich schmeckte sie sehr gut. Sollte ich mich eines Tages hier niederlassen, dann würde ich mir öfters so etwas gönnen!
» Das geht auf mich! « Ein Mann mit Anzug setzte sich neben mich auf den Tresen. Er hatte kurzes, braunes Haar und trug eine rahmenlose, runde Brille. Er sah mich lächelnd an. » Neu hier, was? « Der Mann reichte mir freundlich seine Hand. » Mike Zweers. Bürgermeister hier. «
» Jack Jasra. Nicht Bürgermeister hier. « Er lachte.
» Wie kommt es, dass Sie so durchnässt durchs Dorf hier laufen? «
» Sehr lange Geschichte. Ich komme gerade frisch aus Zeron. « Er sah mich erstaunt an.
» Tatsächlich? Sieh an! Dann willkommen auf Atlantis! Was führt Sie denn hier her? « Ich legte meinen Anglerhut ab.
» Naja… ich suche einen Kriminellen. Der mir sagen kann, wo meine Schwester ist. «
» Wie, wurde sie entführt?! «
» Ja. «
» Das ist komisch, dass Sie das erwähnen. Auch hier haben wir Fälle von Entführungen zu verzeichnen – aber bisher konnten wir niemanden finden. Zwei Mädchen wurden in der letzten Woche entführt… Man hatte sie eigentlich in einem alten, verlassenen Gebäude in der Nähe des Friedhofs von Halunzia erwartet. Direkt südlich von hier. Aber der Schuppen war leer. Ich kann nur für dich hoffen, dass es ihr gut geht. « Halunzia also? Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich genau dorthin musste. Ich trank schnell die Cola aus und reichte dem Bürgermeister nochmals die Hand.
» Danke für den Drink! «
» Sehr gerne doch! « Langsam nahmen meine Schritte an Geschwindigkeit an und ich machte mich sofort in Richtung Süden auf. Mein Kompass und die Ortsschilder führten mir ziemlich schnell nach Halunzia. Die Häuser wurden spärlicher und die Bäume häuften sich. Es war sehr idyllisch und natürlich hier. Vor allem war das Wohngebiet auch mit einer orangen Straßenbeleuchtung bestattet um den ganzen noch einen milderen Flair zu geben. So schön ich das hier auch alles fand, musste ich mich jetzt langsam darauf konzentrieren Isi zu finden. Ich irrte durch kleinere Gassen hin und her – hörte ab und an einen Hund bellen und Vögel vorbei flattern. Zumindest dachte ich, dass es Vögel waren. Höchstwahrscheinlich waren es aber blutrünstige Fledermäuse. Als sich vor mir groß der Friedhof auftat, wünschte ich, dass ich mir das mit den Fledermäusen nicht vorgestellt hatte. Aber du musst ja nicht zum Friedhof – dachte ich mir und atmete erleichtert auf. Dann sah ich mich um und erblickte das verlassene Haus – eine kleinere Scheune nur. Bei dem Anblick wusste ich tatsächlich nicht, ob das schlimmer war oder der Friedhof. Ich trat langsam und vorsichtig an das Gebäude heran – an einer langen Hecke vorbei. Die Schuppentür stand offen. Ich kramte meine Taschenlampe aus meiner Umhängetasche heraus und leuchtete die Scheune gründlich ab. Es lag viel Müll herum. Alte Metallteile, Schaufeln, Seile. Es war nichts Außergewöhnliches – bis auf eine Treppe nach unten. Musste ich da nun wirklich runter?! Ich war tatsächlich kein großer Freund von verlassenen Scheunen und dunklen Gängen… Aber das war jetzt meine einzige Möglichkeit. Ich atmete noch einmal tief auf und ging dann langsam die Treppe hinunter. In dem Keller des Schuppens sah es ähnlich aus wie oben. Spärlich befüllte Regale mit Müll und Werkzeugen und alten Geräten. Nur war ich hier an eine Sackgasse gelangt. Es gab hier keine Türen mehr. War ich hier wirklich richtig? Als ich vorsichtig die Wände ableuchtete, fiel mir eine kleine Öffnung in der Wand auf. Etwa wie ein Schlüsselloch. Sollte hier eine versteckte Tür sein?! Vielleicht passt dann ja der Schlüssel des irren Alten hier rein. Ich zuckte mit den Schultern. Was soll schon schief gehen? Ich kramte den schwarzen Schlüssel aus meiner Hosentasche und steckte ihn in die Öffnung. Und tatsächlich! Als ich den Schlüssel nach rechts drehte, knackte es laut und eine Wand rechts daneben führ zur Seite und legte einen Durchgang frei. Hier… musste ich richtig sein.

Kapitel 4
Friedhofskeller


E s war mir nicht gerade wohl bei dieser Aktion und ich fing auch ganz leicht an zu zittern. Der Gang führte eine Treppe hinunter. Wahrscheinlich befand ich mich mittlerweile direkt unter dem Friedhof. Die Treppe endete und ich befand mich vor einer Tür – die nicht verschlossen war. Ich lachte innerlich – was für dumme Arschbacken das doch sind. Ich öffnete sie langsam und trat hinein. Ich befand mich nun in einer Art Vorraum mit zwei Türen. Als ich Schritte hörte, die langsam bei der linken Tür lauter wurden, zögerte ich nicht und verschwand schnell hinter der rechten – die glücklicherweise leicht offen stand. Ich konnte kaum meinen Augen trauen, als ich eine anständige Palette an scheinbar antikem Gold fand, viele Goldmünzen und tatsächlich alten Rüstungen und Schwertern. Ich zuckte mit den Schultern. Es kann ja nicht schaden. Ich nahm eins der Schwerter in die Hand. Es sah ziemlich alt aus. Ich würde fast schon sagen, dass es hunderte von Jahren alt ist. Aber was hilft schon besser als ein Schwert, wenn man Verbrecher jagt? Na gut… Vielleicht ein Gewehr. Aber es war besser als nichts. Selbstbewusst und bewaffnet ging ich wieder in den Vorraum, der noch leer war. Ich öffnete mit einem Ruck die zweite Tür und hielt die Waffe defensiv vor mir. In war in einem kleinen Wohnbereich scheinbar. Es war ein großer Tisch mit Plänen drauf, ein Kühlschrank und… und Isi! Sie saß gefesselt auf einem Stuhl! Als sie mich erblickte, sah sie sehr positiv überrascht aus, mich hier zu sehen. Ich öffnete ihre Mundfessel.
» Jack! Jaack! Du bist hier!! « Sie war richtig panisch – was ich ihr nicht verübeln konnte.
» Schwesterchen. Klar doch. « Ich nahm das Schwert und zerschnitt die Fesseln mit der obsidianschwarzen Klinge. Isi umarmte mich sofort, als sie los war.
» Jack, ich hatte solche Angst! «
» Jetzt ist alles gut. So ziemlich. Wo ist der Typ hin, der dich entführt hat? «
» Der.. ging… « Ich hörte plötzlich Schritte und ein Sausen auf mich zukommen. Isi packte mich instinktiv und zog mich auf den Boden. Nur knapp hat mich ein Baseballschläger verfehlt!
» Du Mistratte! Wie bist du hier rein gekommen! « Es war der Entführer! Er sah sich panisch um und blieb mit seinem Blick auf dem Tisch im Zimmer verweilen – besser gesagt auf eine halb offene Schublade. Von hier aus konnte ich nicht erkennen, was es war – aber vermutlich war es eine Waffe, sonst würde er nicht so darauf zu sprinten. Im richtigen Moment stellte ich ihm ein Bein – und er flog auf den Boden. Ich dagegen sprang schnell auf und half Isi hoch.
» Natürlich mit dem Schlüssel. Niemals den Schlüssel unter der Fußmatte verstecken! «
» Aber hier gibt es doch gar keine Fußmatte! «
» Genau. Und jetzt sag mir, wieso du Isi entführt hast und wer unser Haus weggesprengt hat. «
» Haus weggesprengt? Davon weiß ich nichts. Und es geht dich gar nichts an, wieso ich jemanden entführte! « Jetzt sah ich erst, dass er eine Glatze hatte. Er rollte sich schnell zur Seite, sprang auf und holte direkt mit dem Baseballschläger aus. Ich parierte seinen Schlag mit meinem Schwert – was den Schläger glatt durchtrennte. Er sah mich etwas hilflos an – dann aber wütend. » So kommst du nicht davon! « Diesmal ging er einen Schritt zurück und griff sofort einen Revolver aus der Schublade raus. Bevor er etwas tun konnte, rammte Isi ihn von der Seite an die Wand. Ich half sofort und schlug ihm kräftig mit der Rechten ins Gesicht – was ihn scheinbar ausknockte. Was ich aber nicht erwartet hatte, war dieser verdammte Schmerz in der Hand! Der Schlag tat in der Hand höllisch weh! Ich bückte mich aber schnell und entwaffnete ihm. Isi griff sofort zu den liegen gebliebenen Fesseln und machte ihn kampfunfähig. Wir waren nun beide außer Atem.
» Jack… Wow… Was zum Teufel… Was meintest du eben mit unserem Haus?! « Ich holte tief Luft.
» Naja… Unser Haus ging in Flammen auf. Eine riesige Explosion zerstörte alles. Es gab von kaum etwas noch Überreste. «
» Unser Haus wurde zerstört?! Und… Mama und Papa? « Ich sah zu Boden.
» Ich weiß nicht, was mit ihnen geschehen ist. Ich hoffe, sie waren nicht im Haus… «
» Dann hätte sie ja etwas gefunden! «
» Aber warum haben sie sich nicht gemeldet? Sie können doch nicht einfach verschwunden sein! «
» Das.. das ist alles viel zu viel gerade. Aber danke… dass du mich gerettet hast. Wer… Wer weiß, wie das sonst ausgegangen wäre. « Sie sah mich schluchzend an. Ich umarmte sie.
» Schon okay. «
» Und was ist mit Malon und Zelos? «
» Denen geht es gut. Die mussten sich um das Haus kümmern und noch alles retten, was zu retten war. « Und so saßen wir im Friedhofskeller von Halunzia auf Atlantis. In einer neuen Welt… ganz ohne Zuhause. Jetzt mussten wir nur noch die Polizei rufen und diesen Kerl fassen. Und was mit dem ganzen Gold passieren sollte, war auch noch ein Rätsel. Aber noch viel wichtiger war nun… Wohin mit uns?
ENDE